Die Blume der Diener
eines Mannes verriet, ob er ein Schurke, Lord, Schreiber oder Schwertkämpfer war. Die Haut an Williams Hand war ein wenig rau von seiner Arbeit in der Küche; der Mittelfinger trug einen Tintenfleck. Aber alles in allem war es eine wohlgeformte Hand, stark, geschmeidig und warm in Lionels Griff: eine wunderschöne Hand, eine Hand, auf die man sich verlassen konnte. »Eine zarte Hand«, sagte der König, als er sie losließ. »Aber dennoch stark genug, um das auszuführen, was dein Verstand dir zum Wohle deines Königs eingibt. Der Tag, an dem du zu uns kamst, war ein glücklicher Tag, Master Flower.«
Die blassen Wangen des Tafelmeisters erröteten wie die eines Mädchens. Als er sich hastig verneigte und durch die Tür schritt, lächelte der König. Dieser Master Flower war ein hübscher Junge, eine willkommene Abwechslung zu den alternden Höflingen und verhutzelten Ratgebern, die andauernd die Stirn runzelten und ernst dreinblickten. Und anders als Lord Molyneux und Sir Edward Sewale besaß dieser Knabe Verstand, Bildung und eine Zielstrebigkeit, die auch jedem Adligen wohl anstehen würde. Bei der Bestellung von William Flower zum Tafelmeister hatte der König weiser gehandelt, als ihm bewusst gewesen war.
Es war der Tag der heiligen Philipp und James gewesen, an dem sich König Lionel mit seinem neuen Tafelmeister über das bevorstehende Fest beraten hatte. Am folgenden Dienstag ritt kurz vor Anbruch der Morgendämmerung ein Bote in den Hof und berichtete, Botschafter Tellemonde sei an Land gegangen und reite im Augenblick mit einer etwa zweihundert Mann zählenden Eskorte aus Rittern und Gefolgsleuten gen Cygnesbury.
Diese Nachricht setzte feierliche Handlungen in Gang, deren Ablauf William erst vor zwei Tagen gewissenhaft erdacht und eingerichtet hatte. Innerhalb einer Stunde hatten Stallknechte die besten Pferde in den königlichen Stallungen gestriegelt und sie in den Vorhof geführt, wo all jene Adligen, denen es für einen Ritt noch gut genug ging, sie rasch bestiegen. Als sich der Botschafter kurz vor Mittag Wyrmford näherte, waren König Lionel und seine wichtigsten Ratgeber bereits an der Brücke, um sich dort mit ihm zu treffen; sie waren in ihre kostbarsten Gewänder gekleidet, mit Frühlingsblumen umkränzt und sahen so sorgenfrei wie Lerchen aus. Der König trieb sein großes, graues Pferd auf den steinernen Brückenbogen und traf den Botschafter in der Mitte des Übergangs. Er erhob sich in den Steigbügeln, umarmte den alten Mann und setzte ihm mit eigenen Händen eine Girlande aus Margariten und grünem Lorbeer auf den grauhaarigen Kopf.
»Le printemps est arrivé«, sagte der Botschafter und berührte den Blumenkranz. »Ihr erweist mir große Ehre, mon roi, indem Ihr mein verschneites Haupt mit dem Grün des Frühlings bekränzt. Das ist ein gutes Omen.« Der albische Hof applaudierte höflich dem Bonmot des Botschafters. Zwei Hofdamen, die Nymphen darstellen sollten und in Girlanden und hauchdünne Schleier gekleidet waren, preschten nach vorn und eskortierten den Botschafter. Weitere Damen überquerten die Brücke und verliehen den übrigen gallimandischen Lords ebenfalls Blumenkränze. Dann ritt die ganze Gesellschaft mit Blumen bekrönt zum Feld von Reddingale.
Auf der Hügelspitze über dem Feld hielt der Botschafter an und klatschte erstaunt in die Hände. »Ah!«, rief er aus. »Comme c’est beau! Nie zuvor habe ich solche Lieblichkeit mich willkommen heißen gesehen. Mon roi, ich bin bezaubert.«
Bezaubernd war dieser schöne Anblick in der Tat. Zelte aus Scharlachrot, Rostbraun und Himmelblau standen um einen zentralen Pavillion gedrängt, weiß wie Schnee und mit Goldstoffen verziert. Helle Wimpel flatterten an der Spitze eines jeden Zeltes und das Gras um sie herum war grün und weich. Auf der Straße zwischen dem Hügel und dem Lager stand eine Spielertruppe, die mit ihren Lauten und Fiedeln ein Lied anstimmte, als die königliche Gesellschaft in Sicht kam. Auf diese melodiöse Weise wurden die Gallimanden im Namen der Maikönigin in Albia willkommen geheißen.
Als König Lionel und der Botschafter sich an jenem Nachmittag zu Tische niedersetzten, stieg die Achtung des Königs für William Flower noch mehr, denn Tellemonde wurde nicht müde, jedes Detail dieses court champêtre zu preisen. Vom Ende des Tischgebets bis zum Abtragen des ersten Ganges begeisterte sich Tellemonde mit gallimandischem Enthusiasmus für die Köstlichkeit eines jeden Gerichts, für die Eleganz
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