Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
fuhr sich über die schweißnasse Stirn und sagte zögernd:
»Außerdem wollte ich ein paar Worte mit Philibert und Jean-Baptiste wechseln, dem Kutscher und dem Stallknecht der Comtesse d’Angoulême, die jetzt für Dame Marguerite arbeiten und die ich in Amboise kennengelernt habe.«
»Ich mache dir ja gar keinen Vorwurf, Juan«, versuchte ihn Alix zu beruhigen, obwohl sie natürlich sehr verärgert über den Diebstahl des kostbaren Teppichs war.
»Wer hätte denn gedacht, dass sich in dem ganzen Durcheinander ein Dieb in die Werkstatt schleicht?«, kam Julio Juan zu Hilfe. »Ich bin auch ein paar Minuten aus dem Kontor gegangen, und Angela ist mitgekommen.«
»Sie haben leider recht«, sagte Arnaude kopfschüttelnd. »Wir hatten alle nichts anderes im Sinn als die Ankunft der beiden Mädchen.«
Während Mathias weiter betreten schwieg, weil ausgerechnet die Galanterien gestohlen worden waren, wollte Alix den Vorfall nicht weiter diskutieren, sondern lieber abwarten, ehe sie eine Entscheidung traf.
Im Moment zählte für sie aber wirklich nur die glückliche Vereinigung ihrer Zwillinge, und sie konnte sie gar nicht oft genug ansehen, anziehen und frisieren und sich über ihr wesensgleiches Verhalten freuen.
Ihre Werkstätten waren jedenfalls voll ausgelastet, und in ihrem Verkaufskontor gab es jedes Jahr mehr neue Kunstwerke der Teppichweberei zu bestaunen.
Aus wirtschaftlichen Gründen blieb Alix den Millefleurs treu, die zwar noch nicht bei den Kunden in Ungnade gefallen, aber doch von den neuen Ideen der Renaissance ein wenig in den
Hintergrund gedrängt worden waren. Weil Arnaude nun nicht mehr an den Galanterien weiterarbeiten konnte, gab sie ihr den Auftrag für eine Allegorie – Männer und Frauen bei der Feldarbeit, von einem Millefleurs sehr schön in Szene gesetzt.
Obwohl Alix ihre ganze Zeit den Töchtern und ihrer neuen Liebe zu Mathias widmete, musste sie doch immer wieder an den Diebstahl denken, der schließlich möglichst bald aufgeklärt werden sollte. Doch die Zeit verging wie im Flug, und die Arbeit konnte nicht warten. Alix war der Renaissance sehr verbunden und interessierte sich deshalb stets für alle italienischen Reformen in der Kunst. Den Maler Raffael und seine Kartons hatte sie noch längst nicht vergessen. Welch wunderschöne florentinische Madonnen sie nach seinen Vorlagen hatte weben lassen! Und welch großartige Teppiche entstanden, inspiriert von seinem Gemälde Augustus und die Sibylle, auf ihren Hochwebstühlen!
Doch neben dem Familienleben hatte sie schließlich in der Werkstatt ihre Arbeit zu tun und sollte sich auch noch über den Verbleib der Galanterien Gedanken machen.
Deshalb musste Tania auf ihren Wunsch die Arbeit in der Werkstatt aufgeben, wo ihr Philippe das Weben auf einem Flachwebstuhl beibrachte.
»Sobald ich eine Kinderfrau für meine Töchter gefunden habe, kannst du zurück in die Werkstatt.«
Tania hatte freudestrahlend eingewilligt. Gott, wie erleichtert sie über den glücklichen Ausgang dieser Tragödie war! Und Philippe würde bestimmt auf sie warten.
Als sich Alix ein wenig von den ganzen Aufregungen erholt hatte, verdüsterte sich ihre Stimmung, weil ihr allmählich klar wurde,
wie unangenehm die Folgen des Diebstahls für sie werden konnten, wenn es ihr nicht gelang, sich zu entlasten.
Mathias legte den Arm um ihre Schulter und fragte unsicher: »Willst du nach Chaumont?«
Beim Gedanken an den Duc d’Amboise war sie sofort angespannt, beruhigte sich aber schnell wieder.
»Nein, Mathias. Das hat keinen Sinn, und ich will durchaus nicht wieder dorthin. Außerdem können die Galanterien nicht in Chaumont sein. Das hätte ich längst erfahren.«
»Aber …«
Alix sah die Angst in seinen Augen.
»Mach dir keine Sorgen. Vorbei ist vorbei. In meinem Leben gibt es nur noch dich, Nicolas und meine beiden Töchter.«
Trotz seiner besorgten Miene musste sie lachen.
»Und natürlich unsere Werkstatt!«
Dann holte sie tief Luft.
»Wir haben nie viel über das Ensemble Das höfische Leben geredet. Jetzt arbeiten wir schon drei Jahre an den Teppichen, und der letzte ist fast fertig. Obwohl ich auf keinen Fall nach Chaumont will, Mathias, sollte ich dir wohl einige Details erläutern, über die ich dich bisher nicht informiert habe.«
»Nur zu«, meinte Mathias, der sich gar nicht wohl dabei fühlte, dass die alte Geschichte wieder aufgewärmt wurde.
»Mit Maître Bellinois, dem Weber des Herzogs von Amboise, habe ich mich leider gar
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