Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Dem Königreich soll vielleicht ein Dauphin geschenkt werden, obwohl er so jung nicht König werden könnte – und möglicherweise auch noch gezeugt von François, um das Maß vollzumachen. Lieber Himmel! Warum musste sich der alte Louis XII. unbedingt derart lächerlich machen und sich vor dem staunenden Volk in einen Zwanzigjährigen verwandeln wollen?
Ihr hättet ihn sehen sollen, Alix! Geradezu schneidig sah er aus, von Kopf bis Fuß neu eingekleidet, rasiert, parfümiert ... Viel hätte nicht gefehlt, und er wäre vor Freude herumgehüpft wie ein kleines Kind, das es nicht erwarten kann, sein Naschwerk zu bekommen – in diesem Fall die englische Prinzessin. Ich finde, das grenzt an Senilität!
Zuerst habe ich mich in der Sologne vergraben und Tag und
Nacht nur geweint. Der dumme François drohte alles zu verderben. Er hatte nur noch Augen für dieses kleine Biest, das natürlich lieber meinen Sohn als den alten König von Frankreich in ihrem Bett haben wollte. Ach, manchmal hätte ich ihn am liebsten verleugnet! Er war nicht wiederzuerkennen, dafür sah ich aber seinen Vater deutlich vor mir. Sobald ein hübsches Ding seinen niedlichen Hintern bewegt, ist er nicht mehr zu halten. Ich bin tief unglücklich, dass der Comte d’Angoulême ihm sein impulsives, leichtsinniges Temperament vererbt hat, das viel zu schneidige Auftreten, das verführerische Lächeln, das ihn immer zum Sieger macht, wenn es um die Gunst eines hübschen Mädchens geht.
Das Schicksal war uns wirklich nicht gnädig gesonnen, Alix. Wir mussten erfahren, dass François auf Wunsch des Königs dessen Braut in Boulogne abholen und nach Abbeville geleiten sollte, wo er sie erwartete. Daraufhin habe ich mich, so schnell es ging, nach Romorantin zurückgezogen.
Mary of York versetzte François in den Zustand größter Begeisterung. Und obwohl Marguerite und ich fest entschlossen waren, ihn zu überwachen, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen und ihm gut zuzureden, damit er diesem Mädchen nicht in die Falle ging, ist uns das leider nur zum Teil gelungen. Der kleine Dummkopf putzte sich heraus, um ihr zu gefallen, gab mit seinen Reitkünsten an, zwinkerte ihr verliebt zu, hielt ihre Hand, flüsterte ihr allzu galante und vermutlich anzügliche Worte ins Ohr und wäre ihr doch tatsächlich beinahe an den Haken gegangen. Selbst Claude war zutiefst beunruhigt über die Besessenheit, die sich meines Sohnes bemächtigt hatte, der nicht müde wurde zu wiederholen, dass für den hübschen herzförmigen Mund der Engländerin jeder Heilige schwach werden
würde, dass sie von allen europäischen Prinzessinnen am niedlichsten lächelte und die zierlichsten Füße der Welt habe.
Als der König seine Verlobte dann in Abbeville in Empfang nahm, musste er sich doch tatsächlich ebenfalls so vor dieser Jungfer aufführen, dass er sich wahrscheinlich vor lauter Verrenkungen eine Rippe gebrochen hat.
Etwas später kam der Hof zur Hochzeitsfeier in Saint-Dénis zusammen. Nachdem der König seit dem Tod seiner Frau keinen Sou mehr ausgegeben hatte, öffnete er nun nicht nur seine Privatbörse, sondern die Kassen des Königreichs. Für die neue Königin war nichts zu schön oder zu luxuriös. Und François blieb der Mund offen stehen.
Bei den anschließenden Turnieren kämpfte der Herzog von Suffolk, der im Auftrag des englischen Königs die Hochzeit von Mary beaufsichtigen sollte und ganz offensichtlich sehr in sie verliebt ist, übrigens zunächst gegen den Duc d’Angoulême und dann gegen den Duc de Bourbon. Ich muss zugeben, Charles hatte nicht weniger Mühe, ihn zu besiegen, als François. Begleitet von den reichlich anzüglichen Scherzen der Menge, der das alles andere als diskrete Benehmen Marys nicht entgangen war, zog der König, blind vor Liebe, endlich mit seiner Angetrauten ab. Liebe Alix, da dachte ich mir dann, trotz meiner enttäuschten Wut, dass es wohl immer noch besser wäre, der alte König zeugte einen Dauphin als der Duc d’Angoulême, weil sonst der Bastard von François den Thron besteigen würde, nur weil mein Sohn zu dumm ist zu begreifen, welch irreparablen Fehler er damit begehen würde.
Tags darauf begab sich der gesamte Hof nach Tournelles, wo für Marguerite und mich die Überwachung von François erst richtig begann. Der war nämlich drauf und dran, die Einladung
der neuen Königin zu einem verliebten Stelldichein anzunehmen. Ich musste ihm eine Szene machen und ihm kräftig die Leviten lesen. Nachdem wir mit vereinten
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