Die Blutlinie
verschiedenen Aufgaben, die ich verteilt habe. Als sie fertig ist, nickt Jenny zustimmend. »Klingt gut. Ich beschaffe euch Kopien von allem, was wir bisher zusammengetragen haben. Charlie, kannst du bei der Spurensicherung anrufen und sie informieren?«
»Geht klar.«
»Wer hat die Schlüssel zur Wohnung?«, frage ich.
Jenny nimmt einen Umschlag von der Seite ihres Schreibtischs und reicht ihn Leo. »Sie sind da drin. Ihr könnt euch am Tatort völlig unbefangen bewegen. Die Spurensicherung ist abgeschlossen, und die Beweisstücke sind sichergestellt. Die Adresse steht vorn auf dem Umschlag. Geht zu Sergeant Bixby vorn beim Empfang. Er besorgt euch eine Fahrgelegenheit.«
Leo sieht mich mit erhobenen Augenbrauen an, und ich nicke. Er marschiert los.
Ich bemerke Jennys Blick. »Können wir irgendwo hingehen? Ich würde mich gern mit dir über deine Eindrücke vom Tatort unterhalten.«
»Sicher. Wir können einen Kaffee trinken gehen. Charlie kann sich um alles Weitere hier kümmern. In Ordnung, Charlie?«
»Klar.«
»Das wäre großartig.«
»Taugt Ihr Pathologe was?«, fragt James. Natürlich kommt es aus seinem Mund nicht als harmlose Frage, sondern als Provokation. Jenny sieht ihn stirnrunzelnd an.
»Nach Quantico zu urteilen, ist sie ziemlich gut. Warum – haben Sie etwas anderes gehört?«
Er winkt sie weg. »Sagen Sie mir einfach nur, wie ich an sie herankomme, Detective, und sparen Sie sich Ihren Sarkasmus.«
Jennys Augenbrauen schießen in die Höhe, und ich sehe, wie sich ihre Augen verschleiern. Sie wirft mir einen Seitenblick zu, und vielleicht ist es der gegen James gerichtete Ausdruck von Verärgerung, den sie auf meinem Gesicht bemerkt, der sie besänftigt. »Wenden Sie sich an Charlie.« Ihre Stimme klingt gepresst und angespannt. Das hat keinerlei Wirkung auf James. Er wendet sich einfach von ihr ab, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.
Ich berühre Jennys Ellbogen. »Komm, wir verschwinden von hier.«
Sie schießt James einen letzten düsteren Blick hinterher, bevor sie nickt. Wir gehen zum Ausgang.
»Ist er immer so ein Arschloch?«, fragt sie, als wir die Stufen zur Straße hinuntersteigen.
»O ja. Das Wort wurde extra für ihn erfunden.«
Wir müssen lediglich einen Block weit laufen bis zum Café, von denen es in San Francisco genauso viele zu geben scheint wie in Seattle. Es ist ein bürgerliches Café, ein Familienbetrieb mit einer entspannten, bodenständigen Atmosphäre, kein Franchise-Laden. Ich bestelle mir einen Mokka. Jenny entscheidet sich für Tee. Wir nehmen an einem Tisch beim Fenster Platz und genießen es für einen Moment, nicht zu reden, während wir an unseren Tassen nippen. Der Mokka ist köstlich. Köstlich genug, dass ich ihn trotz all des Todes um mich herum genieße.
Ich sehe nach draußen und betrachte das Leben auf der Straße. San Francisco hat mich schon immer fasziniert. Es ist das New York der Westküste. Kosmopolitisch, mit europäischen Einflüssen und einem ganz eigenen Charme und Charakter. Ich kann normalerweise schon an der Kleidung erkennen, ob jemand aus San Francisco kommt. Es ist einer der wenigen Orte an der Westküste, an dem man wollene Trenchcoats und Hüte sieht, Baskenmützen und Lederhandschuhe. Sehr chic. Draußen ist ein schöner Tag. In San Francisco kann es ziemlich kalt werden, doch heute scheint die Sonne, und die Temperaturen liegen knapp über zwanzig Grad. Sengend heiß nach den Standards dieser Stadt.
Jenny stellt ihre Tasse ab und fährt mit dem Finger über den Rand. Sie wirkt nachdenklich. »Ich war überrascht, dich hier zu sehen«, sagt sie schließlich. »Noch mehr, als ich hörte, dass du dein Team nicht leitest.«
Ich sehe sie über den Rand meiner Tasse hinweg an. »So lautet die Abmachung. Annie King war eine Freundin von mir, Jenny. Ich muss mich bei dieser Sache zurückhalten. Zumindest offiziell. Außerdem bin ich noch nicht wieder so weit, dass ich das CASMIRC leiten könnte. Noch nicht.«
Ihr Blick verrät nichts, doch er urteilt auch nicht über mich. »Nicht so weit, weil du es sagst, oder nicht so weit, weil das FBI es sagt?«
»Ich sage es.«
»Also … Bitte versteh mich nicht falsch, Smoky, aber wenn das so ist – wie hast du dann die Genehmigung bekommen, überhaupt herzukommen? Ich glaube nicht, dass mein Captain sie mir in einer ähnlichen Situation gegeben hätte.«
Ich erkläre ihr, was in mir vorgegangen ist, seit ich mein Team wiedergesehen habe. »Es scheint im Augenblick
Weitere Kostenlose Bücher