Die Blutmafia
besprechen, war aufgestanden.
»Da kommen sie!«
»Wer kommt?«
»Na, mein Alter auf jeden Fall. Dein Vater hat ihn zum Flughafen geschickt. Wen er da abholen sollte, müßtest du doch wissen, oder?«
»Vielleicht müßte ich. Aber es interessiert mich nicht.« Sie versenkte sich wieder in ihren Artikel. Das Magazin nannte sich ›Prima‹, was sie las, war der Gesellschaftsteil. Es ging darum, ob der spanische Kronprinz nun eine Freundin hatte oder nicht.
Mühsam kämpfte sie sich durch die gewundenen spanischen Sätze. Wenn das so weiterging und sie sich selbst mit einer Madalena auf Deutsch unterhielt, würde sie noch Spanisch-Nachhilfestunden nehmen müssen, da konnte Thomas toben, wie er wollte. Schließlich, auch in Palma, auf der ›Deutschen Schule‹, wo sie mit Ausnahme der Wochenenden ihre Tage verbrachte, war es das gleiche: Alle sprachen deutsch mit ihr. Manchmal, wenn sie das Heimweh packte und die Frage: Was hast du eigentlich hier zu suchen? sie zu überwältigen drohte, half nicht einmal mehr der Vergleich zwischen dem verregneten Odenwald und der Sonne Mallorcas weiter. Himmelherrgott, wie sehr hatte sie sich auf ihren Vater gefreut, wie hatte sie davon geträumt, mit ihm auf der ›Pirata‹ an den Buchten vorbeizubrausen, unter braungebrannten, lustigen, unkomplizierten Typen zu leben, neue Leute und keine Langweiler kennenzulernen! Das führt ja doch zu nichts. Soll Thomas doch in seinem Luxusschuppen seine Bumspartys abziehen, mit seinen komischen Weibern seine miesen Typen empfangen – ihr hatte er wenigstens, wenn sie hier war, das Gästehaus überlassen. Aber im Grunde verbrachte sie, wie gehabt, ihre Tage im Internat …
»Das ist ein Deutscher«, sagte Madalena. »Da mach' ich jede Wette.«
»Na und? Außerdem: Woher willst du das wissen?«
»So, wie der geht …«
Nun stand auch Irena auf.
Der Wagen hatte auf dem unteren Parkplatz angehalten. Juan, Madalenas Vater und Verwalter von ›Can Rosada‹, reichte dem Neuankömmling einen Koffer. Irena konnte nur den Rücken des Mannes sehen, der da die flachen Stufen zur Terrasse hochstieg, bolzengerade, als habe er einen Besen verschluckt. Dazu bei dieser Hitze ein blauer Blazer? Madalena hatte recht, so was brachte nur ein Deutscher.
»Komischer Vogel«, kommentierte Madalena.
Nun war er stehengeblieben. Die Hand auf die Steinbalustrade gelegt, die die Treppe einsäumte, drehte er sich ein wenig, um den Ausblick zu begutachten. Und der lohnte sich: Olivengärten, kleine Dörfer, unten die weißen Häuser von Cala d'Or; dann das Meer, kobaltblau, soweit man sehen konnte …
»Den kenn' ich.«
»Ein Freund vom Chef?« Madalena nannte Thomas ›el jefe‹, so wie alle hier, und das war er wohl auch. Zumindest ließ er keine Gelegenheit aus, es zu zeigen. Aber Freund? Ob Thomas überhaupt Freunde hatte? Er tat so, aber Irena bezweifelte es schon lange.
»Kein Freund. Einer seiner Leibsklaven, Madalena.«
»Was ist das?«
»Der Mann ist Arzt und leitet eine pharmazeutische Fabrik.«
»Wo?«
»In einem Scheißkaff namens Bernhagen. Ich kann nur hoffen, daß du's nie kennenlernst.«
»Und was ist ein Leibsklave?«
»Ach, laß mal«, winkte Irena ab, »das würdest du doch nicht verstehen …«
Ja, sie machte es geschickt, mit Gefühl, nichts war zu spüren von Ungeduld oder Tölpelhaftigkeit. Ein Händchen wie Seide, auf und ab, auf … Engel spürte, wie sich die Muskeln an seinem Becken spannten und schloß die Augen. Eigentlich wollte er Kitty in der nächsten Woche vor die Tür setzen. Die drei Wochen waren vorbei, und drei Wochen waren nun wirklich das Maximum, das er einem Weib auf ›Can Rosada ‹ zubilligen konnte. Aber dieses Biest – oh –, er hatte Mühe, ein Stöhnen zu unterdrücken.
Und da hörte sie auf.
»Bist du wahnsinnig?« Er stieß es zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor.
»Aber Thomas. Da kommt doch jemand …«
Auch er hatte den Wagen gehört. Hochstett … »Na und? Los schon. Weiter!«
Und sie machte weiter, rasch, so gut, daß sich das Gefühl in ihm aufblähte wie ein roter heißer Ballon und seine Spannungen sich in einem dumpfen, tiefen Laut entluden.
Er seufzte erleichtert, gut, okay, tätschelte Kittys blonden Kopf, warf die Beine über die Lederliege, ging ins Bad, nahm eine Dusche, zog sich den kurzen, weißen Kimono an und ging hinaus auf die Terrasse.
Hochstett …
Da stand er. Kummerfalten in der käsigen Haut, dünnes Grinsen, dazu dieser unmögliche Blazer, so wie immer.
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