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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatte begriffen und lachte mich aus: Du spinnst ja!«
    »Und dann?«
    »Dann, dann kam er von seiner Sachsen-Reise zurück. Gleich nach der Landung, noch von der Autobahn aus, rief er mich an.«
    »Sie hatten das Test-Resultat inzwischen bekommen?«
    »Ja. Ich hatte es bekommen. Positiv … Er kam zu mir in die Praxis, und ich sagte es ihm. Vor allem aber sagte ich ihm, daß dies noch lange nichts zu bedeuten habe. Es gibt so viele HIV-Positive, die jahrelang, ja schon weit über ein Jahrzehnt mit der Krankheit leben. Es gibt welche, bei denen sie gar nicht zum Ausbruch kommt … Das alles wollte ich ihm erklären. Er ließ mir keine Chance dazu. Er rannte einfach weg.«
    »Und Sie konnten ihn nicht …«
    Rio beobachtete, wie Dr. Herzogs Hände zu zittern begannen, jetzt flogen sie richtiggehend, so daß er sie in einer gewaltsamen Bewegung auf die Knie preßte.
    »Das ist es doch! Und ich frage es mich ja auch. Die ganze Zeit frage ich es mich … Natürlich habe ich versucht, ihn zurückzuhalten. Aber eben nur versucht! Ich hätte Gewalt anwenden müssen. Doch wie? Mir ist nichts eingefallen. Ich dachte, er kommt schon zur Vernunft. Aber er kam nicht … O nein, er kam nicht zur Vernunft …«
    Wieder dieses Schweigen. Und wieder ein paar Worte, die Rio nicht verstand. Sie waren leise, langgedehnt. Herzogs Kopf sank nach vorne.
    »Meine Schuld, meine verfluchte Schuld … Ich hätte ihn retten können … Er war doch mein Freund. Ich hätte ihn retten müssen …«
    Rio schwieg. Was gab es auch zu sagen? Nur eine Frage gab es noch: Wo, wenn er verdammt noch mal so wenig von Sex gehalten hatte, wo hatte sich Reissner angesteckt? Wo hatte er sich das todbringende Virus geholt?

Zweites Buch
    Der Tatendrang des jungen Ministers war von niemandem zu stoppen.
    Zunächst wurde er in Bonn nur bespöttelt, dann nannte man ihn ›naiv‹, schließlich ›ein Phänomen‹ – zu Recht, denn alle seine Vorgänger waren an der massiven Abwehrfront gescheitert, die die Mediziner- und Pharma-Lobby gegen jede Veränderung errichtet hatte. Unter dem atemberaubenden Tempo aber, mit dem der Minister seine Gesundheitsreform vorantrieb, zerbröckelte die Mauer, und es gelang ihm, die sinnlos um sich selbst rotierende, zutiefst korrupte Ausgabenmaschinerie des deutschen Gesundheitswesens anzuhalten.
    Nachdem ihm dies gelungen war, hatte er Versicherungen und Staat zehn Milliarden gespart, Ärzte wie Arzneikonzerne in ihre Schranken verwiesen, sich eine Unmenge Feinde und den Ruf eines ›Drachentöters‹ eingehandelt.
    An diesem Herbstmorgen des Jahres 1993 war nichts von seinem üblichen gelassenen Selbstbewußtsein zu spüren. Er hatte die Presse in sein Ministerium gerufen. Doch wo blieben die Scherze, wo das übliche jungenhafte Lächeln? Er wirkte angeschlagen. Die Worte kamen nur zögernd über seine Lippen, er war blaß, und unter den Augen zeigten sich dunkle Schatten.
    »Meine Damen und Herren, ich habe Sie hierher gebeten, um Ihnen einige Eröffnungen zu machen. Und ich kann Ihnen gleich versichern, daß dies zu den unangenehmsten Aufgaben gehört, die mein Amt mir bisher gebracht hat.«
    Dann wurden die Sätze zu Hammerschlägen.
    Die Korrespondenten schalteten ihre Tonbandgeräte ein. Da war kaum einer, der den Bleistift berührte. Sie lauschten nur. Niemand stellte zunächst eine Frage.
    Was der Minister in kurzen, dürren Worten mitteilte, schien zu unglaublich: Das BGA, das Deutsche Bundesgesundheitsamt in Berlin, eine Mammutbehörde, die in ihrer Verwaltung und in den verschiedensten Instituten über dreitausend Mitarbeiter beschäftigte und überdies zu den angesehensten medizinischen Aufsichtsbehörden der Welt zählte, sollte neu organisiert und dem Minister persönlich unterstellt werden. Der Präsident und weitere leitende Beamte waren entlassen. Ihnen drohte ein Disziplinarverfahren. Der Grund: ›Mangelnde Funktionsfähigkeit in einem hochsensiblen Bereich‹.
    Der ›hochsensible Bereich‹? Menschenblut …
    Das BGA war der Gesundheitswächter der Nation und als solcher nicht nur dem Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz verpflichtet, es hatte auch dort für strikteste Kontrolle zu sorgen, wo Blut gewonnen und verteilt wurde; wo Organisationen und Privatfirmen auftraten, um aus dem Lebenssaft die Präparate herzustellen, ohne die es für Bluterpatienten, Frischoperierte oder Unfallopfer keine Chance gibt.
    Gerade dieser ›hochsensible Bereich‹ aber schien zum Milliarden-Roulette verkommen zu sein.

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