"Die Bombe is' eh im Koffer"
kleinen Familienbäckerei. Der Meister war ein Freund meines Vaters, der wiederum Metzger war. Das war insgesamt alles keine schlechte Wahl, ich esse nämlich nicht nur gern, ich koche auch mit Begeisterung. Also habe ich mich mit großer Freude aufs Backen gestürzt und die Lehre auch richtig ordentlich beendet. Das einzig Unangenehme an der Lehre war der Dauerschnupfen, den ich hatte. Ständig lief mir die Nase, und kurz nach meiner bestandenen Prüfung kamen auch noch heftige Fieberschübe dazu. Irgendein Internist hatte dann die Idee, mich mal auf Allergien zu checken, heute würde man wohl etwas eher auf den Gedanken kommen. Jedenfalls war ich im Jahre 1982 ein begeisterter Bäcker mit Mehlallergie. Berufsunfähig.
Also versuchte ich etwas anderes. Ich machte mich an die nächste Ausbildung und wurde Versicherungskaufmann. Ein Bürojob, aber auch was Solides. Und darin war ich so brauchbar, dass ich ein Angebot von der Neckura erhielt und auch annahm. Das war ein Job, den ich richtig gern gemacht habe.
Ich sollte ein Paket aus festen Bestandskunden betreuen. Die hatten schon langjährige Verträge, mit denen sie alles in allem sehr zufrieden waren. Ich beriet sie, wenn sie Hilfe brauchten, aber ich musste ihnen nicht dringend dauernd was Neues verkaufen. Man wurde– das kann man nicht anders sagen– hervorragend bezahlt und konnte ohne Furcht jeden Morgen in den Spiegel schauen. Insgesamt gefiel mir das ausgezeichnet.
Dann kamen die Aktiengurus.
Anfangs war das nicht weiter schlimm. Ich sollte ab sofort mehr Umsatz machen, und für die fünfundzwanzig besten Mitarbeiter Deutschlands gab’s jedes Jahr Belohnungsreisen. » Incentives« heißt das im Marketingdeutsch, und unter » Incentive« versteht man eigentlich nichts anderes als eine Rübe, die man seinem Esel vor die Nase hängt, damit er schneller läuft. Ich lief genauso schnell wie sonst und nahm die Rüben im Vorbeigehen mit. Diese Rüben waren Reisen, die mich nach Grönland brachten, nach Finnland, Alaska, um die halbe Welt. Dann sind die Aktiengurus etwas durchgedreht: Der Umsatz sollte ab sofort verdoppelt werden.
» Das ist Quatsch!«, hab ich gesagt.
» Nein, Sie werden sehen, das geht!«
» Das müssen Sie mir zeigen!«
Und sie haben’s mir gezeigt.
Eine halbe Woche wurde ich mit anderen Gruppenleitern geschult. In dieser Zeit zählte nur Erfolg und der Glaube an sich selbst und wie man den Leuten den überflüssigsten Dreck mit den schönsten Worten andreht. Fragenstellen war nicht erwünscht, die ganze Veranstaltung hatte was von einer Gehirnwäsche bei Scientology. Ich war völlig durch den Wind, als ich heimkam. Und habe mir erst mal Urlaub genommen.
Eine Woche lang hab ich mir alles durch den Kopf gehen lassen. Und als ich zurückkam, hab ich die Kündigung auf den Tisch gelegt. Nach sechs Jahren.
Kündigen ist nicht schlimm und nicht schwer, vor allem, wenn man nicht davon ausgeht, dass man danach unbedingt einen besser bezahlten, besser angesehenen Job haben muss. Es ist nicht wirklich wichtig, ob man Hirnchirurg ist oder Bademeister, solange der Job Spaß macht und einen ernährt. Also begann ich als Briefträger.
Briefträger, dachte ich immer, wäre eigentlich ein angenehmer Beruf. Man ist viel an der Luft, die Leute kennen und begrüßen einen, so wie den Heini Lüders in » Neues aus Uhlenbusch«. Aber davon habe ich nicht viel mitbekommen. Ich bekam als Anfänger natürlich keinen eigenen Zustellbezirk, sondern sprang jeden Tag an einer anderen Ecke ein. Nur die unangenehmen Überraschungen, die blieben überall gleich. Es ist ja ohnehin schwer, eine ungewohnte Strecke in einer halbwegs vernünftigen Zeit zu absolvieren. Vollends unmöglich wird es, wenn man eines Morgens zweihundert Otto-Kataloge zusätzlich präsentiert bekommt, die in zwei Tagen zugestellt werden sollen. So ein Otto-Katalog füllt ganz schön Platz. Man kann auch nicht mehr die komplette Post in einen Arm nehmen, man braucht also praktisch für jeden Gang die doppelte Zeit. Ein erwähnenswerter Stundenlohn bleibt dann nicht mehr übrig. Also hab ich meinem Arbeitgeber gesagt, wohin er sich seine Kataloge zustellen kann, und bin gegangen.
Zweifellos die richtige Wahl: Beim nächsten Job hatte ich mehr Glück. Wenn auch nicht ganz so viel Glück wie der Chef selbst: Er hatte ein ziemlich großes Los gezogen. Irgendwann beim Tanken hatte er ein belegtes Brötchen gegessen und sich dabei einigermaßen über den hygienischen Zustand der Tankstelle
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