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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gasse wider. »Ehrwürdige Mutter!« Vor Staunen war Isabella unfähig, sich zu bewegen. Wie erstarrt stand sie und blickte auf den Türschlitz vor ihr.
    »Sei still!«, zischte es daraus hervor. Die Stimme hatte alle Mattigkeit abgestreift und klang scharf wie zuvor. Die Tür ging auf. Eine knochige Hand streckte sich ihr entgegen und zog sie so abrupt ins Innere, dass sie beinahe gestrauchelt wäre.
    »Aber ...«, versuchte Isabella zu erwidern, doch die Äbtissin ließ nicht los, sondern hinkte mit ihr zusammen ins Innere des Hauses. »Jetzt komm schon – und weg von dieser Tür«, befahl sie und zerrte sie hinter sich her.
    Wie betäubt folgte Isabella der Äbtissin ins Innere des Hauses. Was hatte Suor Immacolata hier zu suchen? Wieso war sie nicht in Torcello? Was hatte sie überhaupt außerhalb des Klosters zu tun? Womöglich war sie allein mit dem Mann. Isabella blickte auf den Rücken der alten Frau, die vor ihr herschlurfte, und wunderte sich, was Suor Immacolata hierhergetrieben hatte.
    Das Treppenhaus, durch das sie gingen, wirkte abweisend und kahl. Erst als sie in den ersten Stock hinaufgestiegen waren und in den Wohnbereich kamen, änderte sich das Bild. Isabella blieb der Mund offen stehen, als sie die Flut von Papieren, Do - kumenten und Büchern sah, mit denen jeder Fleck des Hauses bedeckt war. Ein Geruch von altem, gequollenem Papier und Pergament lag in der Luft, und noch nach etwas anderem roch es. Diesen unterschwelligen Duft von widerlicher Süße kannte Isabella nur zu gut: Krankheit und Tod.
    »Wohin führt Ihr mich, ehrwürdige Mutter?«, fragte sie misstrauisch.
    Die Äbtissin lachte auf. »Ich hatte dich eigentlich schon früher erwartet, aber es ist gut, dass du erst heute kommst, weil es Donato gesundheitlich noch zu schlecht ging. Heute fühlt er sich etwas besser und wünscht dich zu sehen.«
    »Donato?«, fragte Isabella verwirrt. Sie kannte keinen Donato Contarini. »Und warum habt Ihr mich erwartet? Hier?« Isabella konnte nicht umhin, sich zu wundern.
    Suor Immacolata beachtete sie nicht mehr und verschwand zwischen den Bücherstapeln in einem Raum unter einer Treppe. Isabella folgte ihr zögernd. Mit Krankheiten war nicht zu spaßen, in Venedig nicht und nirgendwo sonst auf dieser Welt. Krankheiten waren wie hungrige Raubtiere, die ohne Unterschied alle packten, deren sie habhaft wurden. Sie zwangen die Menschen zu Boden, und nichts und niemand konnte wirklich dagegen helfen, weder die Ärzte noch die weisen Frauen oder gar Gebete.
    Aus dem Raum vor ihr drang ein Stöhnen. Als Isabella näher trat, sah sie, dass ein Fenster zum Innenhof hinausging, das offen stand, um frische Luft hereinzulassen.
    »Wollt Ihr nicht die Fenster schließen und die schlechten Miasmen aussperren ...?«, setzte sie an zu sagen.
    Doch die Äbtissin kam ihr zuvor: »Glaub nicht an den Unsinn, den uns die Ärzte erzählen. Ein Kranker braucht frische Luft. Hilf mir lieber, ihn aufrecht zu betten.« Sie hatte einen Arm unter den Rücken des Patienten gelegt und ihn angehoben. Der Alte hielt die Augen offen, doch er schien sie nicht wirklich zu sehen. Ihr war, als blicke er durch sie hindurch oder in sie hinein. »Pack ihm das Kissen hinter den Rücken, damit er sitzen kann.« Ohne weiter zu überlegen, betrat Isabella den Raum, nahm das Kissen und stopfte es in den Rücken des Kranken.
    »Ihr seid die Tochter des Buchdruckers von nebenan?«, krächzte die Stimme des Kranken.
    »Isabella Marosini«, bestätigte Isabella.
    »Gut«, sagte der Alte und begann tief und lange zu husten. »Sehr gut.«
    »Ihr kanntet meine Tante, Francesca?«, wagte Isabella nachzufragen.
    Der Bibliothekar nickte.
    Vor Jahren hatte Isabella den Alten einmal kurz gesehen. Damals hatte er bereits alt gewirkt. Jetzt erschien er ihr wie aus einem anderen Jahrhundert in das ihre hinübergerettet. Sein Gesicht war grau, fleckig und schien von einem Netz aus feinen Runzelfäden zusammengehalten zu werden. Über die Wangen spannte sich dünn die Haut, und die Augen lagen tief in den Höhlen. »Caterina«, er deutete auf Suor Immacolata, »hat mir von dir berichtet. Sie ist ... «, wieder hustete der Alte schwer. Jetzt erst bemerkte Isabella die braunen Flecken am Hals, im Gesicht und auf den Händen und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. »... sie ist meine Schwägerin. Ich war mit ihrer Schwester verheiratet.« Er blickte sie von der Seite her an, und Isabella vermutete eine kleine Lüge hinter dieser Aussage. Vielleicht waren

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