Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
wurde mein Gatte von dringenden Geschäften eingeholt, sodass er mir noch nicht berichten konnte.«
»… von meiner Braut«, sagte Domenico Bianchi junior.
Beatrice Bianchi bot Antonio nicht an, sich zu setzen. Er hatte es nicht anders erwartet … schon gar nicht hier, in dieser Situation, aber auch sonst. Oh, Antonio Baldini, die lebende Legende, der Mann, der die Straßen Italiens jeden Tag ein bisschen sicherer machte; der dafür sorgte, dass Warentransporte auch ihr Ziel erreichten und wohlhabende Reisende nicht mit durchgeschnittenen Kehlen im Feldrain verbluten mussten; der mehr Gesindel dem Strang zugeführt hatte als König David Philister erschlagen; dem man im großen Saal seines Hauses seinen vereinbarten Lohn aushändigte und augenzwinkernd noch etwas drauflegte; von dem man sich mit dankbarem Händedruck und schulterklopfend und glückwünschend und ich-hoffe-ich-darf-demnächst-wieder-auf-Ihren-Schutz-zählen salbadernd vor dem Hauseingang verabschiedete … Diesen Mann lud man nicht zum Essen mit der Familie ein, diesen Mann bat man nicht in die Privatheit des Schlafzimmers – und wenn doch, dann nicht, um mit ihm am Kaminfeuer in aller Stille darauf anzustoßen, dass man die Reise überlebt hatte. Baldini wusste, dass die guten capitani, die Geleitzugführer, die Leibwächter, die Trossmannschaften, ebenso unter sich blieben wie das Gesindel, vor dem sie ihre Auftraggeber behüteten. Mochten die redlichen Leute denken, dass etwas von der Gemeinheit der Straße auf ihre Beschützer abgefärbt war, mochten sie peinlich berührt sein von ihrer eigenen Abhängigkeit, mochten sie sich unter den ruhigen Blicken der abgebrühten Männer unbehaglich fühlen, weil sie wussten, dass die Hälfte ihrer Geschäfte genauso gesetzlos war wie die Pläne der Verzweifelten draußen im Gebüsch, die auf eine passende Gelegenheit für einen Überfall lauerten … Was immer es war, es hatte dazu geführt, dass die meisten von ihnen wahrscheinlich zum Brunnen gingen und sich die Hände wuschen, nachdem sie sich von den Antonio Bandinis dieser Welt verabschiedet hatten. Antonio lächelte und legte sich seine Antwort zurecht.
»Ich würde mich glücklich schätzen, Ihre Wünsche zu befriedigen«, sagte er.
Beatrice Bianchi musterte ihn scharf. »Stimmt es wirklich, was Sie über Lorenzo Ghirardi erzählen?«
»Warum sollte ich lügen?«
»Was weiß ich? Ich kenne Sie nicht gut genug, um Ihre Motive zu durchschauen.«
Sie besaß dieselbe unverblümte Direktheit wie ihr Mann. Antonio blickte in braune Augen, die nur an der Oberfläche weich und schimmernd waren. Wenn man näher hinsah, erkannte man die Härte von lange und sorgsam poliertem Kirschholz unter dem Glanz. Sie hatte sich damit beschäftigt, in ein umhäkeltes kleines Kissen an einem Holzstab getrocknete Nelken zu stecken, eine dicht neben der anderen, eine ebenmäßige Oberfläche aus braunen Köpfchen und bitter-herbem Duft, die davon zeugte, dass Monna Beatrice den Willen hatte, perfekt zu arbeiten, und die nötige Disziplin dazu besaß. Bei der Nennung von Lorenzos Namen hatte sie eine Nelke in das Kissen gestochen und damit die letzte Lücke in einer Reihe geschlossen. Bandini gestattete sich keinerlei Lächeln. Die geschlossene Reihe sah aus wie eine Mauer, in der soeben der letzte Durchschlupf versperrt worden war. Bandini wagte kaum zu glauben, dass das Gespräch in die Richtung laufen würde, die sein Instinkt ihm zu verraten schien.
»Ich bin sicher, dass ich die richtigen Schlüsse gezogen habe.«
Sie begann mit einer neuen Reihe. »Es ist schwer zu glauben. Lorenzo Ghirardi! Wer ihn kennt, wäre absolut überzeugt, dass er meinem Mann und dem Haus Bianchi treu ergeben ist.« Die braunen Augen ließen Bandinis Blicke nicht los.
»Ich sage schon seit Langem, dass der Kerl nichts taugt«, trug Domenico junior bei.
»Er ist geschickt«, sagte Bandini und erwiderte den Kirschholzblick, ohne zu blinzeln. »Selbst wenn Sie ihn auf die Probe gestellt hätten, hätte er sich nicht verraten.«
»Vielleicht hätte ich ihn auf die Probe stellen sollen«, sagte Beatrice Bianchi. Eine weitere Nelke wurde in den Stoff getrieben, mit etwas mehr forte als ihre Vorgänger, wenn Antonio richtig sah.
Bandini antwortete nicht.
»Der junge Herr des Hauses, mein Sohn hier, ist sehr besorgt um das Wohlergehen seiner Braut. Er hat beschlossen, dass er es nicht riskieren kann, Ihre wohlgemeinten Warnungen und Ratschläge in den Wind zu schreiben.«
»Genau«,
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