Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Bandini spürte plötzlich, wie die Finger seiner linken Hand juckten … die Finger, die seit vielen Jahren nicht mehr da waren.
»Sind Sie verrückt geworden?«, fragte Bianchi. »Was glauben Sie, wen Sie vor sich haben?«
»Sie blöder Idiot!«, schrie Antonio. »Was wissen Sie von Bernardo Bandini? Sie haben noch in die Windeln geschissen, als man ihn aufhängte und meine Familie aus der Stadt vertrieb! Sie nennen ihn ein Verräterschwein und sind zu blind, um zu erkennen, dass Sie das größte Verräterschwein an Ihrem Busen nähren! Sie würden Clarice und Ghirardi verheiraten, wenn Sie könnten? Ha! Passen Sie nur auf, dass da nicht schon lange eine Hochzeitsnacht stattgefunden hat, bei der die Braut an einem Pfahl neben dem Feuer angebunden war und die Bräutigame Schlange standen! Sie suchen Ihre Leute mit dem Bauch aus? Mein Arsch weiß mehr als Ihr Bauch! Ihr capitano ist eine verräterische Schlange, der mit Banditen gemeinsame Sache macht, einer Ihrer Männer trällert bei jeder zweiten Antwort einen Reim, einer fällt beim Reiten auf offener Straße vom Pferd, Sie lassen einen Kerl als Feldscher arbeiten, dessen erstes Wort zu einem Verletzten lautet, dass es ihm scheißegal ist, ob er verreckt oder nicht, und Ihr Truppführer … Ihr Niccolò ! … ist das schleimigste und unfähigste Arschloch, dem je erlaubt worden ist, einen Trupp Männer zu führen, und wenn es mit rechten Dingen zuginge, würde es ihm nicht mal erlaubt sein, einen Löffel zum Mund zu führen. Das sind die Männer, die Ihr Bauch ausgesucht hat! Ich scheiße auf Ihren Bauch! Ich mache Ihren Lorenzo Ghirardi fertig, und wenn ich dafür sorgen muss, dass er so aussieht wie Ihr gottverdammtes Hähnchen da auf dem Teller, bevor er gesteht, und wenn er baumelt, dann springe ich ihm eigenhändig ins Genick, wenn es sein muss, nur damit er auch wirklich abkratzt!« Bandini setzte sich, weil ein Stich durch seinen Kopf fuhr, der ihm das Wasser in das gesunde Auge trieb. Seine Kehle war wund. Das waren nicht seine Worte gewesen, die da aus seinem Hals geröhrt waren, das waren … das waren die Worte des zehnjährigen Antonio gewesen, der immer noch irgendwo tief im Inneren von Bandinis Seele in der Stube stand und seinen Vater berichten hörte, was Onkel Bernardo getan hatte … Die Worte, die der zehnjährige Antonio nicht gefunden und nicht gebrüllt hatte. Nimm den Namen Lorenzo Ghirardi, und ersetze ihn durch Bernardo Bandini, und die Worte passen immer noch … Bandini sah zu Bianchi auf, der mit bleichem Gesicht auf ihn heruntersah, vollkommen sprachlos. Der Knecht stand neben dem Kamin und umklammerte den Schürhaken. Die Mägde in der Ecke duckten sich und taten so, als würden sie den Boden weiter bearbeiten, aber sie hatten vergessen, dass man in diesem Fall ein Schrapp-Schrapp hätte hören müssen. Der Handwerker saß auf dem Fenstersims und gaffte zum Tisch herüber. Bandini meinte das Echo seines Geschreis zu spüren, das in der Stille zwischen den Deckenbalken hin und her prallte. Seine Wut war so groß, dass von allen Gefühlen, die in ihm loderten, nur das Entsetzen darüber noch größer war, dass er derart die Nerven verloren hatte.
Bianchi öffnete den Mund. »Und trotzdem irren Sie sich«, sagte er tonlos. »Mein Angebot steht. Teilen Sie mir morgen mit, ob Sie es annehmen wollen.«
Er drehte sich um und stapfte aus dem Saal. Seine Schultern waren verkrampft. Bandini starrte ihm hinterher, bis er durch die Doppeltür verschwand und nur noch seine Schritte auf dem Flur vor dem Saal hörbar waren. Dann verklangen auch sie. Das Schweigen im Saal war etwas, das auf dem Tisch lag und mit Schaufeln hätte weggetragen werden können.
Der Schürhaken begann wieder zu kratzen.
Die Bürsten machten Schrapp-Schrapp.
Der Handwerker rülpste, spuckte aus dem Fenster und sagte undeutlich: »Pfui Deibel.«
Als Antonio Bandini auf den Flur hinaustrat, stieß er auf Niccolò. Der Mann brauchte nicht erst zu gestehen, dass er gelauscht hatte – der verwundete Ausdruck auf seinem Gesicht sagte alles. Bandini sah Tränen in seinen Augen schimmern, als er sich auf ihn zuschob und aus dünnen Lippen eine Frage zu formulieren versuchte, die sich vermutlich in einem tödlich gekränkten »Warum?« zusammenfassen ließ. Bandini verhinderte, dass die Frage je gestellt wurde.
»Leck mich am Arsch, du Idiot«, sagte er und drängte sich an Niccolò vorbei.
Kapitel 23.
S ie gehören nicht zu denen«, sagte Giallo und lächelte dabei
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