Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
Grinsen den Platz für den Ersten Maat frei, der kein Hehl aus seiner Bewunderung für Vanessa machte und sich nun mit einem breiten Lächeln neben sie an die Reling lehnte.
»Die Sorge Eures Captains, was diese sogenannten Piraten aus den Kolonien betrifft, scheint unbegründet zu sein«, begann Vanessa mit einem Augenzwinkern das Gespräch. »Bisher habe ich kein einziges Schiff gesehen, an dessen Mast die berüchtigte Totenkopfflagge wehen würde.«
Sie betrachtete ihr Gegenüber mit einigem Wohlgefallen. Der Erste Maat war wahrhaftig ein Mann, wie er ihr behagen konnte, groß, mit breiten Schultern, weiß blitzenden Zähnen und einem Schopf tiefschwarzer Locken unter der Offizierskappe.
Aber unwillkürlich verglich sie ihn mit dem Gefangenen, der ihre Kutsche aufgehalten hatte.
Ob er gewaschen ebenso stattlich aussah wie dieser Offizier? Und ob er unter dem Bart auch so wohlgeformte, anziehende Lippen hatte? Und ob diese Lippen es verstanden, eine Frau zu küssen? Sie zu liebkosen?
Sie wandte sich ein wenig verlegen ab, als sie der Richtung, die ihre Überlegungen nahmen, gewahr wurde. Immer wieder dieser Pirat! Der Gedanke an ihn ließ sie nicht mehr los! Aber es war etwas anderes, sich allein in ihrem Bett diesen Vorstellungen hinzugeben, als jetzt, am hellichten Tag! Dies war kein Benehmen für eine Frau, die ihren Mann von Herzen geliebt hatte und immer noch um ihn trauerte. Und noch weniger gehörte es sich, schon am frühen Morgen Gefühle zu verspüren, die sehnsuchtsvoll durch ihren Körper zogen und sie erhitzten.
»Wir können Gott danken, Madam, wenn wir diese Flagge nicht zu Gesicht bekommen«, antwortete der Maat mit seiner angenehmen Stimme. »Wie ich erst kurz vor unserer Abreise erfahren habe, werden die Rebellen immer frecher und rotten sich zusammen, um auch schon größere Konvois anzugreifen.« Als Vanessa ungläubig die Augenbrauen hochzog, lächelte er ihr zu. »Allerdings werden sie es nicht wagen, sich an uns heranzumachen, immerhin zählt unsere Flotte an die achtzig Schiffe. Sie sind also vollkommen in Sicherheit und …« Er unterbrach sich, als seine Aufmerksamkeit von etwas auf dem Meer angezogen wurde. Vanessa folgte seinem Blick, der sich merklich verdüstert hatte, und hielt unwillkürlich den Atem an, als sie bemerkte, dass das strahlende Blau des Himmels sich schräg vor dem Schiff in einen unheimlichen, gelblichen Farbton verwandelt hatte, der in ein schmutziges, öliges Braun überging. Obgleich die Sonne mit derselben Kraft auf sie herunterbrannte wie zuvor, schien die Welt mit einem Mal in ein kaltes Licht getaucht, und die Schiffe, die vor ihnen segelten, nahmen sich mit ihren weißen Segeln gegen diesen beängstigenden Hintergrund unwirklich und fast gespenstisch aus. Ihr gut aussehender Kavalier verabschiedete sich hastig und eilte unter Deck, um den Captain zu holen, und sie ging – wie immer, wenn sie Rat und Hilfe suchte – schnell zu ihrem alten Freund und Diener. Der stand nur wenige Schritte entfernt und musterte diese seltsame Himmelserscheinung unter zusammengezogenen Augenbrauen.
»Was ist das, Martin?«
Er wandte sich ihr langsam zu, und der besorgte Ausdruck in seinen Augen machte ihr mehr Angst als die dunklen Wolken, die bedrohlich vor der Flotte aufstiegen und schnell näher zu kommen schienen.
»Da braut sich ein Sturm zusammen.« Seine Stimme klang wie immer ruhig, aber Vanessa kannte ihn gut genug, um den angespannten Tonfall darin wahrzunehmen. »Ich schlage vor, dass Ihr so schnell wie möglich Eure Kajüte aufsucht, Vanessa. Ich werde Euch begleiten, um dafür Sorge zu tragen, dass die Möbel und Kisten gut befestigt werden – wenn uns dieses Unwetter erwischt, wird alles durcheinandergewirbelt.«
Der Captain hatte in der Zwischenzeit alle gesunden Männer an Deck gerufen, die nun lautstark rufend durcheinanderliefen, Segel refften, Kisten festzurrten und alle losen Dinge verstauten. Auch von den anderen Schiffen drangen über das Wasser hinweg scharfe Befehle herüber. Und trotz all des Lärms hüllte eine geisterhafte Stille die Flotte ein, die Luft schien zu erstarren, und eine drückende Schwüle legte sich auf Körper und Lungen und machte das Atmen schwer.
»Ein Hurrikan«, fuhr Martin fort, während er ihren Arm nahm und sie Richtung Achterdeck zum Abgang zu den Kajüten schob. »Wir müssen schon näher an der Küste sein, als ich dachte, die Stürme mitten auf dem Meer ziehen andere Wolkenberge auf als jene, die sich zwischen
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