Die Braut im Schnee
sagte Sven Liebmann. «Deine unguten Gefühle reichen nicht.»
«Es kann nicht sein, dass der Mörder uns binnen zwölf Stunden so willfährig in die Falle geht.»
«Aber warum denn nicht? Schließlich weiß er nicht, dass es eine Falle ist.»
«Die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen, Sven. Die Wahrscheinlichkeit und meine Erfahrung. Und deshalb bin ich der Meinung, wir sollten noch einmal neu überlegen. Vielleicht wäre es besser, die ganze Aktion abzublasen. Ich habe Angst, dass es umgekehrt ist. Dass wir, ohne es zu merken, in eine Falle tappen.»
Aber wieder hatte Marthaler die Front der jüngeren Kollegen gegen sich. Gleichzeitig redeten sie auf ihn ein und versuchten, ihn zu überzeugen.
«Im Internet geht alles schneller», sagte Raimund Toller. «Da ist kein Postbote zu Fuß mit seiner Ledertasche unterwegs.»
«Danke», sagte Marthaler. «Danke, dass du dich auch einmal beteiligst. Und danke, dass du versuchst, mir das kleine Einmaleins beizubringen.»
Manfred Petersen war jetzt aufgestanden. Er hatte seine Kaffeetasse in der Hand und schaute aus dem Fenster. Draußen sah man noch immer einzelne dicke Schneeflocken fallen.
«Auch ich habe zunächst gestutzt», sagte Petersen in ruhigem Ton. «Auch mir kam es so vor, als ginge mit einem Malalles zu schnell. Aber dann ist mir eingefallen, was wir gesagt haben: dass der Täter unter Hochdruck steht. Wahrscheinlich müssen wir uns eines klar machen, Robert: Die Leute, die sich in einem solchen Forum bewegen, sind Maniacs, Getriebene. Die sitzen, sooft sie nur können, vor ihren Rechnern. Dort findet ihr Leben statt. So gesehen ist es eher verwunderlich, dass er nicht viel schneller reagiert hat.»
«Also?», fragte Marthaler.
«Also halte ich es nicht für nötig, die Aktion abzublasen. Wir sollten uns darauf einigen, mit Netz und doppeltem Boden zu arbeiten, also mit größter Vorsicht. Und wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, können wir die Sache jederzeit abbrechen.»
Das war es schließlich, worauf sie sich einigten. Die nächsten Stunden verbrachten sie mit den Vorbereitungen der Aktion. Kai Döring hatte eine Karte von Usingen und Umgebung an der Wand befestigt. Allerdings merkten sie schnell, dass das nicht genügte. Sie mussten die Gegebenheiten vor Ort kennen lernen. Sven Liebmann wurde beauftragt, im Polizeipräsidium eine erweiterte Einsatzgruppe zusammenzustellen und mit den Leuten zu den Eschbacher Klippen zu fahren, um sich dort kundig zu machen.
«Wir wissen nicht, was der Mann dort draußen mit Kerstin vorhat», sagte Döring. «Wahrscheinlich will er an Ort und Stelle zuschlagen. Die Frage ist also: Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Zugriff?»
«So früh wie möglich», sagte Marthaler. «Bei diesem Wetter können wir davon ausgehen, dass sich nicht viele Leute dort draußen aufhalten werden. Kerstin sollte auf jeden Fall erst ein paar Minuten nach 15 Uhr an den Klippen eintreffen. Der Mann wird warten. Er will sich dieses Treffen nicht entgehen lassen. Und wir haben dann einen kleinen Vorsprung.Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen und davon ausgehen, dass er sofort versucht, sie zu attackieren. Sobald er sie anspricht, nehmen wir ihn fest.»
«Vielleicht wäre es gut», meinte Manfred Petersen, «wenn einer von uns Kerstin in einem Extrafahrzeug begleitet. Ich könnte mit meinem Wagen hinter ihr herfahren.»
Kerstin Henschels Antwort kam mit großer Bestimmtheit: «Auf gar keinen Fall. Das Risiko, dass er etwas merkt, ist zu groß. Und andererseits – er hat doch keine Ahnung, von wo ich losfahre. Auf dem Weg zum Treffpunkt kann mir also nichts passieren. Vergiss nicht, er weiß ja noch nicht mal wie ich aussehe. Ich werde hier um kurz vor zwei losfahren. Alleine! Selbst bei schlechten Witterungsbedingungen werde ich es rechtzeitig schaffen. Wenn ich zu früh bin, werde ich im Ort warten.»
«Gut», sagte Marthaler. «Dann rufst du mich an, wenn du in Frankfurt startest. Ab diesem Zeitpunkt stehen wir bereit.»
«Und jetzt werde ich nach Hause gehen und versuchen, noch eine Weile zu schlafen. Desposada ist nämlich ziemlich müde», sagte sie.
«Das sollten wir alle tun», sagte Marthaler. «Viel Zeit haben wir nicht mehr. Aber es wäre gut, wenn wir uns alle noch ein wenig ausruhen. Ich schlage vor, wir treffen uns in der Polizeistation in Usingen. Weiß jemand, wie wir dort hinkommen?»
«Ja», sagte Petersen, «ich war dort eine Zeit lang stationiert. Sie liegt am Ende der Weilburger Straße, direkt
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