Die Braut von Rosecliff
ihn nicht… es sei denn, du willst bald eine Witwe sein!«
Josselyn schaute ihm ein letztes Mal tief in die Augen. »Das würde alle Probleme lösen, nicht wahr?« Ihre Stimme klang bi t ter, denn sie befürchtete das Schlimmste, nicht nur für sich selbst und für ihn, son dern auch für alle Menschen, die in diesem Tal lebten. »Ich heirate Owain, weil er und mein Onkel es so wo l len. Du tötest Owain, weil du und ich es so wollen. Aber was dann? Nichts würde sich ändern!«
Weil du den besten Weg zum Frieden nicht einschlagen willst. Doch das konnte sie nicht aussprechen. Rand ließ ihren Arm los, und sie ging allein weiter, mit Trä nen in den Augen, einem ungewi s sen Schicksal ent gegen.
Auf halbem Wege traf sie Rands Bruder. Beide blie ben kurz stehen und musterten einander. Er hatte ein blaues Auge, seine Lippen waren aufgeplatzt und mit Blut verkrustet, und er pres s te seine verstümmelte Hand an die Brust.
»Es tut mir Leid«, flüsterte Josselyn, entsetzt darüber, was sie angerichtet hatte.
»Ich werde mich erholen«, antwortete Jasper. »Hat Rand Euch ähnlich schlecht behandelt?«
Josselyn schüttelte den Kopf. »Nein, Euer Bruder war niemals grausam zu mir.« Seine Grausamkeit be stand nur darin, dass er mich nicht zur Frau wollte.
»Josselyn!«, brüllte Owain. »Komm her! Sofort!«
Jaspers Gesicht verzerrte sich vor Hass, doch dann lächelte er ihr unerwartet zu. »Lebt wohl, Josselyn ap Carreg Du!«
»Lebt wohl, Jasper Fitz Hugh!« Ihre Begegnung war sehr kurz gewesen, aber ihr war klar, dass er ein wesentlich besserer Ehemann als Owain gewesen wäre. Sollte sie mit ihm nach Rosecliffe flüchten? Soll te sie ihn heiraten, wie Rand es g e wünscht hatte? Wäre das nicht besser für alle, auch für sie selbst?
Nein, sie könnte niemals in Rands Nähe leben und die Frau seines Bruders sein! Es würde ihr das Herz zerreißen.
Schritt für Schritt ging sie auf ihren Verlobten zu, der ihr so zuwider war, dass sie ihn nicht einmal anschauen konnte. Owain packte sie grob am Arm, sobald sie in Reichweite war, und zerrte sie in Rich tung Wald. Er hatte sie aus der Gewalt der Engländer befreit, aber frei war sie deshalb noch lange nicht. Ganz im Gegenteil…
Flankiert von ihrem Onkel und Owain, ging Josselyn durch Carreg Du. Im Dorf wimmelte es von bewaffneten Männern aus Afon Bryn, die sich brüsteten, die Engländer besiegt zu haben. Frauen und Kinder ver steckten sich in ihren Hütten, weil sie den Fremden misstrauten, spähten aber neugierig aus den Fen s tern.
Tante Nesta wartete ungeduldig vor dem Haus, und Joss e lyn warf sich in ihre Arme, vergrub ihr Ge sicht an der warmen Schulter und schluchzte wie ein kleines Kind. Nesta führte sie in die Küche, wohin sich nur selten ein Mann verirrte, und d a für war Jos selyn ihr sehr dankbar. Sie wollte vorerst keine Männer mehr sehen, am allerwenigsten Owain!
Gladys hielt sich mit ihren drei Kindern in der Küche auf, und Rhonwen rannte begeistert auf ihr großes Vorbild zu. »Wir haben sie überlistet und dich befreit! Du hattest Recht – wir Frauen sind viel schlau er als die Männer! Sie sind dumm wie Stroh!«
Josselyn hörte nicht, was die Kleine sagte – sie sah nur deren Gesicht, das genauso übel zugerichtet war wie das von Jasper.
»Um Himmels willen, wer hat ihr das angetan?«, fragte sie ihre Tante und Gladys.
Die beiden Frauen schwiegen, aber Rhonwen grins te triu m phierend. »Ich habe sie alle überlistet – Owain und den Englä n der… und dieses Stinktier namens Rhys!«
»Rhys? Owains Sohn?« Josselyn erinnerte sich an den kleinen Jungen, der sie beschimpft und mit Stei nen beworfen hatte. »Hat er dich geschlagen?«
»Nein, das war sein Vater – Owain«, sagte Gladys bitter.
»Aber warum?« Josselyn vergaß vorübergehend ih ren eigenen Kummer. »Warum misshandelt er ein kleines Kind?«
»Weil ich seinen stinkenden Sohn gefangen genommen habe!«
»Was?« Josselyn schaute ungläubig die beiden Frauen an, aber sie nickten stumm, und so wandte sie ihre Aufmerksa m keit wieder dem kleinen Mädchen zu. »Warum hast du das gemacht?«
»Um dich zu retten«, erklärte Rhonwen stolz. »Owain wol l te diesem Jasper die ganze Hand ab hacken, nicht nur einen Finger. Aber ich hatte Angst, dass der englische Lord dir dann etwas Ähnliches antun würde, und deshalb habe ich Rhys zu meiner Geisel gemacht!«
»Dein Onkel stimmte mit Rhonwen überein, und deshalb musste Owain nachgeben«, erklärte Nesta.
»Aber es hat
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