Die Bruderschaft der Woelfe
Junge hier, oder ich schaffe es, aufzustehen und zu kämpfen!
Es gab einen dumpfen Schlag, als eines der seltsamen
Steinschiffe gegen die Burgmauer prallte. Er durfte keinen Augenblick länger warten.
Daher knurrte er den verängstigten Burschen an: »Komm schon. Stehen wir auf und sterben wir wie Männer!«
Daraufhin erhob er sich und zog den Jungen auf die Beine. Er beugte sich zwischen zwei Zinnen vor und versuchte, durch den beißenden Dunst etwas zu erkennen.
Dreißig Meter unter ihm kratzte ein Greiferschiff mit dem Bug an den Mauern von Carris. Ein Ungeheuer bohrte seine riesigen Krallen in die Mauer und durchstieß die dicke, weiße Putzschicht.
Eine Krähe flog unmittelbar über Rolands Kopf hinweg, als der erste Greifer aus dem Schiff sprang. Zu Rolands Erstaunen nahm der Greifer seine gewaltige Klinge wie ein stöckchenholender Hund zwischen die Zähne, tastete den Stein mit den riesigen Vorderklauen ab und stieg nach oben.
Wir sind nur Gewöhnliche auf dieser Mauer, dachte Roland.
Kein Mann vermag einem Greifer Widerstand zu leisten, nicht einmal, wenn dieser unbewaffnet wäre.
Hinter ihm rief jemand: »Schafft Spieße und Stangen hier herauf!« Die Ungeheuer von den Mauern hinunterzustoßen klang nach einer guten Idee, doch blieb keine Zeit, solche Waffen zu besorgen. Die meisten Hellebarden waren bereits weiter unten an den Burgtoren im Einsatz.
Roland rammte seinen Dolch in die Scheide und packte den gewaltigen Stein neben sich. Er war durchaus von kräftiger Statur, der Stein jedoch, den er umfaßte, wog wenigstens vierhundert Pfund.
Mit aller Kraft streckte er sich, wuchtete den verdammten Brocken hoch und ließ ihn über die Brustwehr fallen.
Unten landete der Stein mit dumpfem Krachen auf dem
augenlosen Kopf des Greifers. Eine Sekunde lang hielt das Untier wie betäubt inne und krallte sich ins Mauerwerk, als fürchtete es einen weiteren Felsbrocken.
Zu Rolands Entsetzen jedoch genügte der riesige Gesteinsbrocken nicht, um die Bestie von der Burgmauer zu lösen. Statt dessen hakte sie die Knochendornen an den Ellenbogengelenken ins Mauerwerk und setzte ihren Aufstieg vorsichtiger fort. Die Knochendorne gruben sich in den Verputz und entdeckten Löcher, die kein Mensch hätte finden können.
Drei Sekunden später hatte das Ungeheuer den oberen
Mauerrand erreicht, richtete sich auf und wollte hinübersteigen.
Der Greifer hockte sich auf die Zinnen und reckte die gewaltigen Klauen in die Höhe. Nun nahm er die Klinge aus dem Maul und schlug auf den vor Angst starren Burschen ein.
Blut spritzte, und der aschfahle Junge wurde gegen die Mauer gestoßen. Roland zog seine winzige Waffe und stieß einen Schlachtruf aus.
All seinen Mut nahm er zusammen und warf sich auf die Bestie. Diese balancierte unsicher auf dem Mauerrand, klammerte sich mit den Klauen an die Zinnen. Roland konnte die Zehengelenke erkennen, und plötzlich wußte er, was er zu tun hatte.
Mit aller Kraft stieß er seine Klinge tief in das Zehengelenk des Greifers und hörte, wie er vor Schmerz zischte.
Der Dolch verschwand fast bis zum Heft darin, und Roland hatte Mühe, ihn wieder herauszuziehen. Neben ihm sprang Meron Blythefellow mit seiner Spitzhacke vor und erwischte ein weiteres Gelenk.
»Paßt auf!« brüllte Baron Poll. Roland hob den Blick und sah eine riesige Klaue auf sich zukommen.
Die Klaue traf Roland an der Schulter, bohrte sich in sein Fleisch und hob ihn in die Höhe. Eine halbe Sekunde lang schwebte er zehn Meter hoch in der Luft über dem Turm und blickte in den Schlund des Greifers, in die Reihen kristalliner Zähne.
Er war sich darüber im klaren, daß die Männer diesen
Augenblick der Ablenkung benutzen würden, die Bestie
zurückzustoßen. Ein hünenhafter Kerl rannte vor und warf sich mit dem Schild gegen den Greifer.
Dann stürzte die Bestie ab und Roland mit ihr. Er landete glücklich auf einigen Verteidigern und starrte entsetzt auf das Blut, das aus seiner rechten Schulter strömte. Der brennende Schmerz brachte ihn fast um den Verstand.
Währenddessen brachen die Männer in Jubel aus, da der Greifer an der Mauer den Halt verlor und klatschend unten auf das Steinschiff stürzte. Roland rief: »Heiler! Ich brauche einen Heiler!«
Doch keiner kam. Er umklammerte seinen Arm und
versuchte, die klaffende Wunde zusammenzupressen, damit er nicht verblutete. Ein Zittern, das er nicht kontrollieren konnte, schüttelte ihn.
Benommen kroch er rücklings an das Mauerwerk des
Wehrgangs, da er
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