Die Bruderschaft der Woelfe
wahnsinnig.«
»Warum denkt Ihr das?« hakte Gaborn nach.
Celinor blickte sich um und vergewisserte sich, daß niemand seine nächsten Worte mithören konnte.
»Vor etwa drei Wochen, als des Nachts die ganze Burg
schlief, schlich er sich zu mir ins Zimmer.
Er war nackt, und in seinem Gesicht stand ein seliges Lächeln, welches ich bei ihm noch nie gesehen hatte. Seine Stimme klang sanft und verträumt, und er weckte mich und verkündete mir, er habe ein Zeichen am Himmel gesehen und wisse nun mit Sicherheit, daß er der nächste Erdkönig werden würde.«
Celinor hockte sich neben Erin auf den Boden. »Was für ein Zeichen war das?« fragte die Kriegerin.
»Er behauptete, drei Sterne seien vom Himmel gefallen, zum gleichen Zeitpunkt, und alle drei hätten hell geleuchtet. Als sich diese Sterne dem Horizont näherten, seien sie plötzlich von ihrem Kurs abgewichen, umrundeten die Burg und erzeugten eine flammende Krone, die ganz Süd-Crowthen umfaßte.«
Die Geschichte verwunderte Gaborn. In den Legenden um die Erdmächte kamen Meteore nicht vor. »Er hat das für ein Zeichen der Erde gehalten?«
»Ja«, antwortete Celinor. »Ich dagegen glaubte, er habe einen Wachtraum gehabt, und das habe ich ihm auch gesagt. Zur Bestätigung wollte ich mit dem Weitseher auf den Mauern der Burg und den Wachen dort sprechen, damit ich meinen Vater von seinem Irrtum überzeugen konnte.«
»Und was hatten sie beobachtet?« fragte Gaborn.
»Die Wachen im Bergfried der Übereigner wurden vermißt.
Der Weitseher auf dem Turm war tot.«
»Tot?« hakte Erin nach. »Wie war er gestorben?«
»Er war vom Turm gefallen. Ob er heruntergestoßen wurde, ausgerutscht war oder sich einfach zum Sprung entschlossen hatte, weiß ich nicht.«
»Und die vermißten Männer?«
»Mein Vater weigerte sich zu sagen, wohin sie aufgebrochen waren. Er deutete nur an, sie befänden sich auf einem Botengang, und sie hätten anderswo Aufgaben zu erledigen.«
»Also glaubt Ihr, Euer Vater hätte seinen eigenen Weitseher ermordet und die Wachen fortgeschickt?« erkundigte sich Gaborn.
»Vielleicht«, sagte Celinor. »Ich ließ an den Grenzen von Süd-Crowthen nach den vier suchen. Eine Woche später stieß man auf einen Bauern, der bezeugte, er habe einen der vermißten Ritter gesehen, und dieser habe sich auf dem Weg nach Süden befunden. Der Bauer behauptete, er habe den Ritter gegrüßt, welcher jedoch, ohne ihn wahrzunehmen und ohne zu antworten, an ihm vorbeigeritten sei… wie in einem Traum gefangen.
Ich folgte einem dumpfen Gefühl und untersuchte die
Vorgänge genauer. Tatsächlich hatten alle vier Ritter das Königreich verlassen – einer nach Norden hin, der zweite nach Süden, der dritte nach Osten und der letzte nach Westen. Jeder Mann hat unterwegs kein Wort von sich gegeben.«
»Das riecht nach Zauberei«, sagte Gaborn. Diese ganze Geschichte mißfiel ihm. Mit den Erdkräften hatte es gewißlich nichts zu tun. Vielmehr schienen hier finstere und gefährliche Mächte im Spiel zu sein.
»Ähnliches habe ich mir ebenfalls gedacht«, fuhr Celinor fort. »In den Bergen nahe der Burg lebte eine Kräuterfrau, die wir Nußfrau nennen, weil sie stets Nüsse sammelt. Sie war eine Hexe, die im Wald wohnte und für die Eichhörnchen sorgte. Ich ging also zu ihrer Höhle und wollte sie um Rat bitten, denn vielleicht wüßte sie, ob dies alles von der Erde kam… aber obwohl sie in dieser Höhle bereits seit hundert Jahren lebt, war sie plötzlich nicht mehr dort.
Seltsamerweise waren auch alle Eichhörnchen mit ihr
verschwunden.«
Erin fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. Gaborn fühlte eine seltsame Benommenheit, und große Sorge bemächtigte sich seiner. Diese Nußfrau diente offenbar der Erde. Sie war eine Erdwächterin, genau wie Binnesman, nur hatte sie eine andere Aufgabe zu erfüllen. »Habt Ihr dies dem Zauberer Binnesman bereits erzählt?«
Celinor schüttelte den Kopf. »Mir mangelt es an Beweisen, die meine Befürchtungen stärken. Nach dieser Nacht hat mein Vater nie wieder über seine Wahnvorstellung gesprochen, und dennoch leitet diese ihn sichtlich bei jeder Tat.«
»Und was tat er?« erkundigte sich Erin.
»Mit großer Ruhe und Überlegung forderte er seine Lords auf, die Verteidigungsanlagen zu verstärken, er verdoppelte und vervierfachte seine Wachen. Dies war nicht einmal verkehrt, denn drei Tage vor dem Hostenfest war eine Gruppe von Raj Ahtens Meuchelmördern aufgetaucht, die mein Vater jedoch
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