Die Bruderschaft der Woelfe
Gaborn, aber sie kann keine für mich erübrigen.
Die Herrscherin von Fleeds trug einen Harnisch und einen Rundschild, auf dem das Wappen ihres Landes in rotem Email prangte. In ihrer Hand hielt sie das königliche Zepter, eine aus Gold gefertigte Nachbildung einer Reitpeitsche, von deren Spitze ein roter Pferdeschweif herabhing.
»Euer Hoheit«, begrüßte sie Gaborn und tat dann etwas Unvorstellbares. Sie ließ sich auf beide Knie fallen und neigte den Kopf.
Im nächsten Augenblick bot sie ihm ihr Zepter dar.
In der Geschichte der Pferdeschwestern von Fleeds hatte noch keine Frau den Kopf vor einem Mann gebeugt.
Gaborn hatte gehofft, er könne Königin Herin um einige Männer und zudem um Vorräte bitten.
Statt dessen legte sie ihm ihr Reich zu Füßen.
KAPITEL 14
Sturm im Anzug
Am späten Morgen trieb Iome ihr Schlachtroß in hartem Galopp auf Fleeds zu. Myrrima und Sir Hoswell folgten ihr.
Auf Burg Groverman hatte die Königin Gaben übernommen
– und zwar mehr, als sie erwartet hatte, wenn auch
letztendlich nicht so viele wie Myrrima. Nun verfügte sie über zwei Gaben der Muskelkraft, eine der Anmut, eine der Geisteskraft, eine des Sehvermögens und vier des
Stoffwechsels. Dazu kamen die der Hunde – einmal Gehör, zweimal Durchhaltevermögen und zweimal Geruch.
Tatsächlich fühlte sie sich wie ein Wolflord, mächtig, unermüdlich, todbringend. Es war der reinste Rausch, der sie dazu noch mit einem gestärkten Sinn für ihre Verantwortung erfüllte.
Dennoch hatte Myrrima sie übertroffen. Die Dorfbewohner hatten gehört, wie sie den Glorreichen der Finsternis getötet hatte, und sie überhäuften sie geradezu mit Gaben – Iome hatte ihr sogar noch Zwingeisen aus ihrem eigenen Vorrat überlassen müssen. Sechzehn Männer und Frauen unterzogen sich der Prozedur, und mit den Gaben der Hunde konnte sie sich nun fast mit einem Hauptmann der Wache von Heredon messen.
Groß und schön war Myrrima bereits vorher gewesen. Nun verliehen ihr die Gaben eine nahezu schreckliche Aura.
Während des Ritts war Iome aufgefallen, daß Sir Hoswell sich hinter den Frauen in respektvollem Abstand hielt, und Myrrima mied ihn geradezu. Sie hieß seine Gesellschaft offensichtlich nicht willkommen.
Der Wind beugte das Gras in steten Wellen, strich über ihren Rücken und trieb sie nach Süden. Obwohl der Himmel blau war, roch die Luft, als befände sich ein Sturm im Anzug. Nach dem Regen der letzten Woche blühte die Heide purpurn auf und überstrahlte das Graublau der fernen Felder. Die Königin ließ an diesem kühlen Morgen ihrer Stute die Zügel schießen, und diese erweckte den Eindruck, sie wolle den Wind überholen. Obgleich sie vierzig Meilen in der Stunde lief, hatte Iome das Gefühl, das Tier habe die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit noch lange nicht erreicht.
Früher hatte sie die Bewegungen eines Kraftpferdes nie mit den Augen verfolgen können. Mit soviel Stoffwechsel, wie ihr nun zur Verfügung stand, hatte sie damit keinerlei Schwierigkeiten mehr.
Die Welt schien sich in ihrem Lauf wesentlich verlangsamt zu haben. Eine Krähe, die mit den Flügeln gegen den Wind anflatterte, hing schwerfällig in der Luft. Der metallene Hufschlag auf der Straße klang zu tief, eher wie ein Frowth-Riese, der auf eine Trommel haut.
Darüber hinaus rasten ihre Gedanken. Sie würde den ganzen Tag unterwegs sein, und ohne ihre Gaben des Stoffwechsels wäre es eine kurze Reise gewesen. Doch nun erschien ihr ein Tag wie fünf.
Selten hatte sie soviel Zeit zum Nachdenken gehabt. Und nach dem langen Ritt würde ihr noch die ganze Nacht zur Verfügung stehen. Dreizehn Stunden der Dunkelheit würden ihr wie fünfundsechzig vorkommen. Im tiefsten Winter litten Kraftsoldaten mit hohem Stoffwechsel oft unter Reizbarkeit und Niedergeschlagenheit, da die Nächte offenbar nicht enden wollten. Und so wappnete sie sich innerlich bereits gegen die bevorstehende kalte Jahreszeit.
Sie jagte an ein paar einsamen Eichen vorbei, deren Laub der Wind verweht hatte. Wie nackte Knochen ragten die Äste in die Luft, und nur Efeu, der bis weit nach oben rankte, bekleidete sie.
Vor ihnen lag ein flacher, schlammiger Fluß, der sich durch das Land schlängelte, und an einer schmalen Holzbrücke saß ein Mann im kargen Schatten einer Eiche, während sein Pferd aus dem Fluß trank.
Sogar über eine halbe Meile hinweg erkannte Iome sein Gewand. Er war in den Farben eines Kuriers gekleidet – das Blau von Mystarria, auf das vor der rechten Brust
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