Die Bruderschaft der Woelfe
und Fuhrleute zu Hunderttausenden. Nicht in seinen wildesten Träumen hätte sich Borenson vorgestellt, daß Raj Ahten so spät im Jahr noch solche Heerscharen über die Pässe ziehen ließe. So hoch im Hestgebirge, wo die schmalen Pfade kaum Futter boten, blieb den Tieren nichts anderes übrig, als zähes Gras und die Blätter niedriger Büsche zu fressen sowie den Durst mit Schnee zu stillen. Hier gab es kein Feuerholz, und so verwendeten die Menschen Ochsendung für ihre kleinen Lagerfeuer.
Für eine Strecke, die Borenson auf einem Kraftpferd in einer Stunde zurückgelegt hätte, brauchten diese Männer und Frauen einen ganzen Tag. Die Reise, die ihn nur eine einzige Nacht gekostet hatte, würde für sie mühsame Wochen bedeuten. Viele der Pferde, die Borenson zu Gesicht bekam, befanden sich in erbärmlichem Zustand – die Haut hing schlaff von den Knochen. Die Gewöhnlichen, die auf diesen Tieren ritten, würden vermutlich im Schnee stranden und noch sterben, bevor der Winter mit ganzer Härte eingesetzt hatte, genau wie diese Elefanten.
Raj Ahten hatte ein tödliches Spiel begonnen, und eingesetzt hatte er das Leben sowohl seines Volkes als auch seiner Tiere.
Und es macht ihm nichts aus, sagte Borenson sich.
Denn schließlich geht es nicht um sein Leben.
Die Bergluft war dünn. Ein beißendkalter Wind pfiff durchs Gebirge. Borenson hüllte sich enger in seinen Mantel und wartete, bis Saffira aufgeschlossen hatte. Wenn sie diese wunderschönen Elefanten sähe, so hoffte er, würde sie die Torheit ihres Herrn und Gebieters erkennen. Zeugnis dessen fand sich überall. Gerüchten zufolge hatte Raj Ahten über tausend Gaben der Geisteskraft übernommen. Damit sollte er in der Lage sein, sich an jede Einzelheit eines jeden wachen Moments in seinem Leben zu erinnern. Gaben der Geisteskraft stärkten jedoch allein das Erinnerungsvermögen, nicht den Verstand.
Da besitzt er also tausend Gaben der Geisteskraft, dachte Borenson, und trotzdem ist der dümmer als ein Esel.
Gestern abend hatte Saffira ihm erzählt, Raj Ahten sei der größte Mann der Welt, und gewiß würde er die Menschheit vor den Greifern retten. Ja, gestern abend hatte Borenson dies sogar für einen weisen, einen großartigen Plan gehalten. Jetzt sah er sie nicht an, und die verlockende Kraft ihrer Stimmgewalt klang aus der Erinnerung nicht im mindesten so überzeugend.
Nein, Raj Ahten war nicht der große Weise. Nur ein Narr schickte all diese Gewöhnlichen durch ein solches Gebirge.
Ein Narr oder ein rücksichtsloser, verzweifelter Mann, flüsterte eine Stimme in Borensons Hinterkopf.
Vielleicht war Raj Ahten seit zu langer Zeit ein Runenlord.
Hatte er vergessen, wie zerbrechlich ein Gewöhnlicher sein konnte? Ein Mann mit zwei Gaben der Muskelkraft und des Stoffwechsels konnte durch eine Schlachtreihe aus Gewöhnlichen ziehen wie durch einen Schwarm Saatkrähen.
Sie starben so verdammt schnell. In der Nacht hatte leichter Schneefall eingesetzt, der den ganzen Morgen über anhielt.
Wenn er nicht aufhörte, würden Raj Ahtens Soldaten bald festsitzen. Ihre Tiere würden innerhalb von zwei Wochen krepieren, und ohne Brennmaterial würden die Menschen in wenigen Tagen erfrieren.
Warum hatte der Wolflord geglaubt, das gute Wetter würde fortdauern? Hatte er sich denn nicht über Rofehavan erkundigt, über das Risiko, das er einging?
Er ist ein Narr, dachte Borenson, und Saffira bemerkt es nicht.
Indhopal war ein gewaltiges Reich, das sich aus vielen Königreichen zusammensetzte. Und obwohl Borenson Teile von Deyazz und Muttaya kannte, war er noch nicht weiter nach Süden vorgedrungen und hatte keine genauen Vorstellungen über die riesigen Horden von Kartish oder des alten Indhopal. Es hieß, bevor Raj Ahten seine Nachbarn eroberte, habe das alte Königreich von Indhopal mit seinen fruchtbaren Dschungeln und unermeßlichen Feldern mehr als hundertachtzig Millionen Menschen ernähren können. Heute herrschte der Wolflord vermutlich über die zwei-oder dreifache Anzahl von Untertanen. Trotzdem konnte er es sich wohl kaum leisten, eine halbe Million ausgebildeter Infanteristen und Bogenschützen zu verschwenden.
Nein, Raj Ahten war ein Narr. Vielleicht sogar ein
Verrückter, den die Anmut seines eigenen Gesichts, die Gewalt seiner eigenen Stimme in den Wahnsinn getrieben hatte.
Saffira, das erschreckte ihn am meisten, bemerkte in ihrer Einfalt seine Exzesse und seine Untugenden nicht.
Sie war in Raj Ahtens Händen ein Werkzeug, und wenn es
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