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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sie vor sich zu haben glaubten. Dabei war die Regenperiode der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um sich ins Hinterland zu begeben, da sich die meisten Äcker, die man diesen Bauern zugeteilt hatte, in Morast verwandelten.
    Er beaufsichtigte die fünf neuen Askari-Soldaten, die die Munition und Glasperlen in den geschlossenen Güterwagen verluden, in dem sie selbst auf Stroh und Zelttuchballen Platz nehmen würden. Er wollte ihnen Gesellschaft leisten, statt im Passagierwagen zu sitzen und dort auf Tausende haarsträubende und naive Fragen antworten zu müssen, über Afrikaner, Löwen, die Fruchtbarkeit des Bodens und die Voraussetzungen für den Anbau von Sisal-, Kaffee-oder Kakaopflanzen.
    Er schob an dem einen Ende des Güterwagens einige Ballen Zelttuch zu einem bequemen Sitzplatz zusammen, zog sich den nassen Südwester in die Stirn und hörte eine Weile dem Regen zu, der auf das Blechdach prasselte. Er
war eingeschlafen, noch ehe sich die Lokomotive ächzend in Bewegung setzte, und schlief einige Stunden traumlos.
    In Kilimatinde, wo die letzten Fahrgäste ausstiegen, zog er mit seinem Gewehretui in die Lokomotive um. Ab hier wuchs das Risiko, auf ein zorniges, altes Nashorn zu stoßen, das sich lieber erschießen ließ, als das Gleis zu verlassen, oder gar versuchte, die Lokomotive anzugreifen. Nashörner waren mit Abstand die dümmsten Tiere Afrikas.
    Aber mit etwas Glück kam es auch vor, dass in günstigem Abstand ein Hundertpfundelefant passierte. Seine Jagdlizenz erlaubte ihm, in diesem Jahr noch zwei Tiere zu erlegen, bevor seine Quote ausgeschöpft war. Die Begrenzung der Elefantenjagd durch bürokratische Regeln und angedrohte Bußgelder war eine neue Erscheinung. Man berief sich auf den Tierschutz, einer der Verantwortungsbereiche des weißen Mannes in Afrika, der die Jagd einschränken musste, um das Überleben der Arten zu sichern, oder wie immer man es ausdrückte. Das galt natürlich nicht für Nashörner, die als Ungeziefer galten und im Unterschied zu den Elefanten praktisch wertlos waren.
    Die Eisenbahngesellschaft besaß eine Generallizenz für Elefanten, weil diese gewissermaßen eine ständige Bedrohung darstellten. Die Elefanten, die er im Namen der Gesellschaft schoss, brachten nicht ganz unbeträchtliche Nebeneinnahmen ein. Um das Elfenbein kümmerte sich die Firma Lauritzen & Jiwanjee. Da die Eisenbahngesellschaft zehn Prozent der Aktien besaß, partizipierte sie ebenfalls in Form jährlicher Dividenden ganz bequem an diesen Einnahmen, ohne sich mit den zeitraubenden Details des Elfenbeinhandels herumschlagen zu müssen, und dafür war die Generaldirektion sehr dankbar. Im Übrigen schien sich
niemand Gedanken darüber zu machen, dass Oscar im Vergleich zur Eisenbahngesellschaft an jedem Stoßzahn das Sechsfache verdiente. Mohamadalis Idee, die Eisenbahngesellschaft zur Minderheitsaktionärin der Firma zu machen, war geradezu genial gewesen.
    Nachdem sie Kilimatinde verlassen hatten, war das Wetter einige Stunden klar und angenehm. Die für diese Jahreszeit typischen, bedrohlich dunklen Wolken befanden sich noch in weiter Ferne am südöstlichen Horizont. Auf der Savanne erblickte er weit weg vereinzelte Elefanten, jedoch hauptsächlich Kühe und Kälber, die die Mühe nicht gelohnt hätten. Die Fahrt wurde bald langweilig, und der neue Lokführer wirkte unwirsch und an einer Unterhaltung vollkommen uninteressiert. Oscar döste vor sich hin und schaute verträumt Richtung Norden, als die Lok auf einmal kreischend bremste.
    Und dort stand er, der große Elefantenbulle, mitten auf dem Gleis, mit drohend aufgestellten Ohren und offenbar ohne die Absicht, auszuweichen. Die Stoßzähne wogen je hundertzwanzig Pfund, wenn nicht mehr. Oscar beherrschte leider nicht die Kunst, anhand von Länge und Umfang das Gewicht zu berechnen. Aber der Elefant war groß, er stand in geringer Entfernung vollkommen still da. Es würde ein kinderleichter Schuss sein, der Abstand betrug weniger als fünfzig Meter.
    Ungeschickt öffnete er sein Gewehrfutteral und nahm eine Schachtel Vollmantelgeschosse heraus. Diese Chance wollte er sich nicht entgehen lassen. Übereifrig legte er sein Gewehr auf den Fensterrahmen, entsicherte und zielte recht hoch zwischen die Augen des Tieres.
    Im letzten Moment besann er sich. Die Kugel würde in
das Gehirn des Elefanten einschlagen. Die Hinterbeine würden als Erstes nachgeben, und dann würde er weich auf den Schienen zusammensacken. Ein sechs Tonnen schwerer Elefant ließ

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