Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
zitternder Hand hinhielt, dankbar entgegen. Er trank durstig und hatte das Gefühl, literweise Wasser trinken zu können.
»Wer ist Mbene?«, fragte er atemlos, als er das Glas geleert hatte und es Hassan Heinrich zurückgab.
Hassan Heinrich wirkte trotz seiner aufrichtigen Freude merkwürdig verlegen.
»Ich war bei den Barundi und habe Hilfe geholt. Sie dürfen nicht mehr als einen Liter in der Stunde trinken, Bwana Oscar, sonst kommt das Wasser wieder hoch«, antwortete er ausweichend.
»Du warst bei den Barundi?«
»Ja. Ich habe Bwana Oscars Bahnkarte verwendet, musste aber trotzdem vorne in der Lok sitzen, weil so viele wegwollten aus der Stadt, weg von der Pest.«
»Der Pest?!«
»Tja, vielleicht nicht das richtige Wort, aber eine schwere Krankheit. Viele Tote. Als Dr. Pilz meinte, er könnte nichts mehr machen, bin ich mit der Bahn zu den Barundi gefahren. Aisha Nakondi hat sich um den Rest gekümmert.«
Oscar versuchte, die Botschaft einzuordnen, und hatte immer noch Mühe, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Er drehte sich um und betrachtete den Steinfußboden vor den Glastüren, die auf die Terrasse führten. Dort waren Ruß- und Feuerspuren, obwohl Hassan Heinrich sicher sein Bestes getan hatte, sie mit einem Scheuerlappen zu beseitigen.
Sie hatten etwas verbrannt und ihn gezwungen, den widerlich beißenden Rauch einzuatmen. Sie hatten ihn auch gezwungen, etwas zu essen, das seltsam geschmeckt, aber zumindest keinen Würgereiz ausgelöst hatte. War das wirklich geschehen? Waren die Gesänge, die Masken, die Tänze Wirklichkeit und nicht nur Fieberhalluzinationen gewesen?
»Waren Magierinnen hier, oder habe ich das nur geträumt?« , fragte er so gleichmütig wie möglich.
»Sie waren hier, Bwana Oscar«, antwortete Hassan Heinrich besorgt. »Ich bin zu den Barundi gefahren und wurde sofort zu Aisha Nakondi gebracht. Ich erzählte von der schlimmen Krankheit, von der alle, entschuldigen Sie meine Sprache, scheißen und sich übergeben mussten, bis sie starben. Sie hat den Jungen und die beiden He… die beiden heilkundigen Frauen mitgenommen. Vielleicht sind wir ja wirklich im letzten Augenblick gekommen.«
Hassan Heinrich schien nicht weitererzählen zu wollen. Oscar dachte nach.
»Sie haben gesagt, dass Bwana Oscar in drei Tagen erwachen würde, und jetzt sind genau drei Tage vergangen«, fuhr Hassan Heinrich mit gepresster Stimme fort, als drücke ihn etwas, das er nicht sagen wollte oder konnte.
»Sind Aisha Nakondi und Mkal noch da?«, fragte Oscar.
»Ja. Sie wollten den dritten Tag abwarten. Ich habe sie im großen Schlafzimmer im Obergeschoss einquartiert«, antwortete Hassan Heinrich und strahlte.
»Ausgezeichnet. Und die beiden Magierinnen?«
»Denen habe ich Fahrkarten organisiert. Sie sind heimgekehrt.«
»Und wie hast du ihnen ihre Fahrkarten organisiert?«, fragte Oscar mit strenger Miene. »Ich hoffe doch, dass sie keine schwarzen Masken trugen, als sie zum Bahnhof kamen?«
»O nein, Bwana Oscar, da sahen sie ganz normal aus mit anständigen Kleidern. Ich habe mir allerdings die Freiheit genommen, die Fahrkarten über die Eigentümerquote der Eisenbahngesellschaft zu bestellen, damit hat man Vorrang …«
Er verstummte, sichtlich verlegen.
Oscar lachte leise. Ein Zeichen der Genesung, dachte er. Aber die Szene, die er sich vorstellte, war auch wirklich zu komisch. Hassan Heinrich hatte also zwei Erste-Klasse-Fahrkarten über sein Eigentümerdeputat bestellt, das vor den weißesten und deutschesten Bürgern und ihren Frauen ein Anrecht auf die ohnehin viel zu spärlichen Plätze gewährte. Das bedeutete, dass ein sicher überaus verlegener Schaffner die erste Klasse betreten haben musste, um höflich, aber mit Nachdruck jenen zwei Fahrgästen mit den zuletzt gekauften Fahrkarten ihre Plätze zu verwehren. Unter welchem Vorwand wohl? Hatte er medizinische Gründe, militärische Angelegenheiten oder das Interesse des Staates als Grund für dieses Opfer angeführt?
Wenn man sich dazu noch einen Herrn mit lächerlichem Tropenhelm, gewichsten Stiefeln, Gamaschen und weißem Rock mit gestärktem Kragen und Schlips zusammen mit seiner sittsamen Gattin mit Sonnenschirm und zu langen Röcken und viel zu eng geschnürtem Korsett vorstellte, die den Waggon verließen, garantiert außer sich vor Wut und alle möglichen Drohungen ausstoßend, konnte man nur hoffen, dass die beiden nie erfahren würden, welche Passagiere ihre Plätze übernommen hatten, weil sie zufällig
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