Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
dem weißen Stoff abzeichnete. Sie breitete die Arme aus, und als sie ihre Wangen aneinanderrieben, flüsterte sie genau die Worte, auf die er gehofft hatte.
Er nahm seinen widerstrebenden, mürrischen Sohn auf den Arm und lud sie mit einer ausholenden Geste ein, das afrikanische Speisezelt zu betreten, in dem Petroleumlampen ein warmes Licht verströmten, das in den blauen und grünen Gläsern funkelte. Aisha Nakondi trank gerne Riesling, Spätlese, vermutlich, weil er ähnlich süß war wie der Bambuswein der Barundi.
»Wer ist Mbene?«, fragte er, nachdem sie sich um den gedeckten Tisch gelegt hatten.
Aisha Nakondi warf ihr langes, offenes Haar demonstrativ zurück. Vielleicht hatte sie sich ja spaßeshalber die Locken ausgekämmt oder war gar zu einem Damenfriseur gegangen, um die Haartracht der weißen Frauen nachzuahmen.
»Mbene«, sagte sie, erhob sich, stellte sich dicht neben ihn und zog langsam ihr europäisches Kleid aus, »ist ein Geheimnis. Warum willst du es wissen?«
Unter dem Kleid trug sie nur den dünnen ledernen Lendenschurz der Barundi. Seltsam, dass ihm das nicht aufgefallen war, aber sein Blick hatte sich in ihren Augen verloren.
»Hassan Heinrich wollte es mir nicht erzählen«, erwiderte er und hob sein Glas. Sie stießen auf europäische Art miteinander an. »Du hast mein Leben gerettet. Hassan Heinrich hat mir das meiste erzählt. Aber über Mbene war kein Wort aus ihm herauszukriegen. War er hier?«
»Ja«, sagte sie, nahm ein Stück Fisch und entfernte ganz nebenbei mit dem Zeigefinger die Gräten, bevor sie es Mkal in den Mund steckte. »Der Geist war hier, aber es ist weder ein Er noch eine Sie.«
Jetzt nahm sie sich selbst etwas zu essen, als sei die Frage damit geklärt. Er wartete gelassen ab, dieses Spiel beherrschten sie beide.
»Du warst krank, und der Tod hatte bereits dein Herz in der Hand«, fuhr sie nach einer Weile fort. »Du hattest die Krankheit des weißen Mannes, die wir Aranui nennen und die auch für uns gefährlich werden kann. Dein Fieber konnten wir besiegen, denn das war wie jedes andere Fieber, es gelang uns auch, dafür zu sorgen, dass du etwas Wasser bei dir behältst. Aber dann mussten wir Mbene anrufen, und das tun wir nicht oft, denn Mbene soll man nicht unnötigerweise bitten.«
Wieder tat sie so, als sei das Thema damit erschöpft, lächelte ihn an und aß. Sie schien sehr hungrig zu sein. Oscar probierte vorsichtig ein paar Stücke Fisch, verzichtete aber auf die Gewürze. Dann erhob er sich, ging zur Zeltöffnung und holte ein Paket herein.
»Zu Hause in meinem Land«, erklärte er, als er Mkal das große Paket überreichte, »geben wir unseren Kindern um diese Jahreszeit Geschenke. Ein roter, fliegender Geist kommt und gibt den Kindern etwas, was sie sich gewünscht haben, oder zumindest etwas, was ihnen gefällt. Das hier ist das Geschenk des roten Geistes für dich, mein Sohn.«
Der Junge beäugte skeptisch das Paket, und Oscar half ihm dabei, das Papier aufzureißen.
Es war ein Spielzeugzug aus Holz, eine Lokomotive, Waggons, Schienen und kleine Brücken. Oscar war nervös,
weil er nicht wusste, wie der Junge reagieren würde. Er zeigte ihm, wie man die Schienen zusammenfügte. Wenig später machte Mkal eifrig allein weiter und war ganz in sein Spiel versunken.
»Die schwarze Schlange kommt und verschlingt unser Land, der böse Geist der Mzungi«, stellte Aisha Nakondi fest, nur halb im Scherz.
»Also, wer ist Mbene, und warum war Mbene hier?«, fragte Oscar.
Sie streckte ihre Hand nach einem Stück Fisch aus und kaute nachdenklich. Sie trank einen Schluck Rheinwein. Oscar wartete ab.
»Os-Kar«, sagte sie schließlich, und ihr Lächeln, das er wie einen Traum in sich trug, erstrahlte. »Mbene muss nur manchmal zu uns kommen, wenn sonst keine Hoffnung mehr besteht. Du warst tot. Ich rief daraufhin mithilfe meiner Frauen Mbene an, den Geist, der über Mann und Frau herrscht, die Kraft, die stärker ist als alles andere. Und Mbene hat dich wieder zum Leben erweckt, aber nur unter einer Bedingung.«
Mehr sagte sie nicht, beugte sich nur vor, streichelte und küsste ihn. Und er ließ sich in ihren Brunnen fallen, von Lust erfüllt, und musste alle seine Kräfte aufbieten, während er schon vor Wollust stöhnte, um die unumgängliche Frage zu stellen.
»Was für eine Bedingung?«
»Dass wir Mbene eine Tochter schenken, und das tun wir jetzt«, flüsterte sie ihm ins Ohr, während sie sich mit gespreizten Beinen rittlings über ihn
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