Die Brueder des Kreuzes
so weit verheilt war, dass er sie wieder zur Faust ballen konnte, auch wenn seine Finger und die Knochen seiner Hand immer noch zu sehr schmerzten, um wirklich eine feste Faust zu bilden. Sein Arm und seine Schulter waren inzwischen schmerzfrei und hatten fast wieder ihre normale Farbe angenommen, doch seine Hand bot nach wie vor einen erschreckenden Anblick, da sie vollständig blau und gelb angelaufen war.
Am fünfzehnten Tag schwang er schließlich die Füße aus dem Bett, stellte sie nebeneinander auf den Boden und richtete sich mit Hilfe eines stabilen Gehstocks zum Stehen auf. Einen Moment lang stand er sacht schwankend da. Dann fand er sein Gleichgewicht, atmete tief durch und tat seinen ersten Schritt.
Zumindest versuchte er das, doch seine Füße bewegten sich nicht, und er fiel wie ein Baumstamm vornüber und musste sich auf sein Lager helfen lassen.
Drei Tage später konnte André problemlos laufen, doch es sollte noch eine weitere Woche dauern, bis seine Hand wieder ein Schwert führen konnte, und erst dann wurde er für kräftig genug befunden, aus Luciens Obhut entlassen zu werden und zu seinen Novizenkameraden zurückzukehren, deren Ausbildung während seiner Abwesenheit fortgesetzt worden war.
Am Tag seiner Entlassung öffnete Richard persönlich die Tür des Zimmers, in dem André mit zwei anderen Rittern beim Frühstück saß, und steckte den Kopf hinein.
»Hier«, rief er André zu. »Das werdet Ihr brauchen.«
Er holte aus und warf André ein langes Schwert in einer Scheide zu. André fing es auf, während er sich vom Tisch erhob. Er hielt es auf Armeslänge vor sich hin und sah, dass ein dicker, aber weicher Schwertgürtel darum gewickelt war. Er wandte sich der Tür zu, doch Richard war schon wieder fort, gerade fiel die Tür hinter ihm zu. André blickte seine beiden Begleiter an und stellte fest, dass sie ihn beide mit hochgezogenen Augenbrauen ansahen. Er zuckte mit den Schultern und grinste etwas verlegen.
»Mein anderes habe ich verloren«, erklärte er. Dann wickelte er den Gürtel los und zog das Schwert aus der Scheide. Es war ein wahrhaft königliches Geschenk, und er hob es auf Augenhöhe, um das Spiel des Lichtes auf der prächtigen Klinge zu bewundern. Das Schwert war nicht aufwändig gearbeitet oder pompös, doch es war von exzellenter Machart. Das stabile Leder der Scheide war mit schlichten Prägungen verziert und innen mit kurz geschorenem Schaffell gefüttert.
Sein altes Schwert war eine praktische, einfache Waffe gewesen, die ihm jahrelang gute Dienste geleistet hatte. Dieses Schwert musste hundertmal so wertvoll sein – das Schwert eines Königs, das er von einem König erhalten hatte –, doch er hatte keine Hemmungen, es anzunehmen, denn er wusste, dass er es würdig einsetzen würde.
Wieder im Dienst, verlor er sich ganz in der dringenden Aufgabe, den Vorsprung der anderen Novizen wettzumachen, und die täglichen Übungskämpfe ließen seine Hand rasch erstarken. Wieder bestimmten die Mönchsrituale und die Gebete der Templerregel seinen Tagesablauf, und wenn er gerade nicht betete, war er ganz damit beschäftigt, seine Kampfkunst zu verbessern und die vollständige Einsatzbereitschaft seines Schwertarms wiederherzustellen. Die Tage, Wochen und Monate zogen dahin, ohne dass er es bemerkte – und zusätzlich, ohne dass er irgendetwas aus der Welt jenseits der Komtureimauern mitbekam.
Er wusste, dass das Weihnachtsfest und das Dreikönigsfest gekommen waren, weil sie sich in der Liturgie bemerkbar machten. Dann verlor er erneut jedes Zeitgefühl, bis Anfang März 1191 die Fastenzeit begann und sich die Novizen zu dreitägigen Exerzitien zurückzogen. Während dieser Zeit durften sie nur schweigend – und stehend oder kniend – beten und meditieren, abgesehen von einigen wenigen Stunden Schlaf.
Am Morgen ihrer Entlassung aus den Exerzitien wurde André unmittelbar nach dem Frühgebet und lange vor dem ersten Dämmerschein zu Bruder Justin gerufen.
André trat reinen Gewissens vor den Novizenmeister und hoffte, dass der Orden von Sion ihn rief. Bruder Justin machte den üblichen missmutigen Eindruck, verzichtete aber auf jede Beschimpfung. Stattdessen begrüßte er André mit einem Kopfnicken und teilte ihm ohne Umschweife mit, dass man ihm aufgetragen habe, ihn sofort zu Sir Robert de Sablé zu schicken, dessen Quartier sich in der Stadt befand.
André ließ den Blick auf den schmutzigen Überwurf sinken, den er seit Monaten trug.
»Soll ich so gehen, wie ich
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