Die Brueder des Kreuzes
Gepäckbündel, das er sicher unter der Reling verstaute. Dann machte er sich auf den Weg zum Heck, wo sich Kapitän Besanceau mit einigen seiner Offiziere beriet. Er befand sich auf dem Weg zur Heckplattform, als der Schiffstrommler plötzlich Haltung annahm und auf seiner fest gespannten Trommel einen regelmäßigen Rhythmus zu schlagen begann. Dies war anscheinend eine Art Signalruf, und St. Clair vermutete, dass die Kommandeure der anderen vier Galeeren der Nachhut ihn beantworten würden.
»Habt Ihr so etwas schon einmal gesehen, Fechtmeister?«
Der Mann, der unbemerkt hinter ihn getreten war, war Montagnard, einer von St. Clairs Offizieren, der für die hundert Männer verantwortlich war, die auf der Galeere transportiert wurden. Er war ein merkwürdiger Geselle, dachte Sir Henry, der oft tagelang nur das Notwendigste sprach, um dann unvermittelt sein Schweigen zu brechen und eine interessante Persönlichkeit preiszugeben. Anscheinend war heute ein solcher Tag.
»Das Wetter meint Ihr? Nein. Es ist beinahe unheimlich. Wisst Ihr, wie das kommt?«
»Wir befinden uns in einer Flaute.«
»Aye, das kann ich sehen. Aber kommt so etwas häufig vor? Wie lange dauert es?«
»Es ist nicht ungewöhnlich. Ich habe es schon einmal erlebt, im Golf von Biscaya auf dem Weg nach La Rochelle. Schlagartig hat der Wind ausgesetzt, und zwei Tage lang hat sich kein Lüftchen mehr geregt. Es ist eine beängstigende, beinahe spirituelle Erfahrung, weil es keinen triftigen Grund dafür zu geben scheint und man auch nie vorhersagen kann, wie lange es dauern wird. Es ist wirklich merkwürdig, nicht wahr?«
Er wies kopfnickend auf Sir Robert, der sich mit dem Kapitän beriet.
»Es lässt selbst sie nicht kalt, und dazu gehört einiges. Ihr wisst doch, was man über eine solche Flaute sagt, nicht wahr?«
»Nein, was sagt man denn?«
»Gott hält den Atem an.« Montagnard wandte sich Sir Henry jetzt ganz zu. »Und was geschieht, wenn man den Atem anhält? Früher oder später ist man gezwungen auszuatmen. Selbst Gott. Und je nachdem, wie lange man die Luft anhält, kann es sein, dass man sehr heftig ausatmet.«
»Ihr meint, es wird stürmen?«
»Nicht unbedingt, aber möglich ist es. Vorerst jedoch gehören wir zu den wenigen Mitgliedern der Flotte, die bewegungsfähig sind. Wir haben unsere Ruder. Die meisten anderen müssen einfach stillhalten und die Rückkehr des Windes abwarten. Das sollte zumindest den Priestern gefallen.«
»Warum sollten sie sich freuen?«
»Seht Euch um, Fechtmeister. Es ist Karfreitag, ein herrlicher Tag ohne den geringsten Windhauch … perfekte Voraussetzungen, um die Männer daran zu erinnern, wie verletzlich und gefährdet sie im Angesicht der göttlichen Allmacht sind. Wartet nur, jedes einzelne Schiff dieser Flotte wird heute noch zum Instrument Christi werden. Bis die Sonne untergeht, werdet Ihr aus allen Richtungen fromme Gesänge hören.«
Henry lächelte und war schon im Begriff zu antworten, als er sah, dass sich im Wasser etwas bewegte. Er trat an die Reling und sah, dass sich von den anderen vier Galeeren Ruderboote näherten. Kurz darauf legte das erste von ihnen bei, und sein Passagier, ein Galeerenkommandeur, kletterte an Bord und gesellte sich zu den Männern rings um Sir Robert. Kurz darauf folgten ihm seine drei Kollegen.
Sie blieben nicht sehr lange an Bord, und keine halbe Stunde später hatten sich vier der Galeeren in Bewegung gesetzt, um sich wie Schäferhunde zwischen den festliegenden Schiffen des nächsten Gliedes hin und her zu bewegen und ihnen Rat und Mut zu spenden.
Nur Richards persönliche Galeere, die alles andere als zufällig auch den Flottenkommandeur beherbergte, blieb zurück und bildete allein die Nachhut. Als nun der Befehl erteilt wurde, die Ruder zu strecken und an Ort und Stelle zu verharren, begriff St. Clair, dass de Sablé es vorzog, diese Position zu halten, und zwar allein, um besser sehen zu können, was die See für ihn bereithielt. Inmitten der Flotte wäre er in seiner Bewegung eingeschränkt gewesen, falls sich das Schicksal plötzlich wendete.
Montagnard hatte sich entfernt und war nicht mehr zu sehen. Sir Henry schaute sich nach ihm um, und am Heck fiel sein suchender Blick zufällig auf den breiten Rücken des Flottenkommandeurs, der sich gerade in seine Kajüte zurückzog. De Sablé ließ eine seltsame Stille an Deck zurück. Überall rasteten schweigende Seeleute, die teils einfach ins Nichts starrten, teils mit geschlossenen Augen an der
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