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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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Sitzgelegenheiten verwandelt worden, und gerade jetzt kam einer von Iannis Männern mit einem dritten Arm voll Polster herein, das er auf den dritten Felsbrocken legte und zurechtschob. André dankte dem Mann mit einem Kopfnicken und trat zu diesem Sitz. Er richtete einen fragenden Blick auf Königin Joanna, die seinen Blick offen erwiderte und sich dann ihm gegenüber hinsetzte, ihre in Leder gekleideten Beine kreuzte und ein Knie zwischen ihre verschränkten Finger nahm.
    Die Wirkung dieser schlichten Bewegung traf André wie ein Fausthieb und raubte ihm den Atem. Den ganzen Tag hatte er die beiden nun um sich, und er hatte keinen Gedanken mehr daran verschwendet, dass sie Frauen in Männerkleidern waren, doch sie hatten auch den ganzen Tag schwere Wollumhänge getragen, und sie alle waren total mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Jetzt jedoch hatten sie die Mäntel und den Lederharnisch abgelegt, und beide hatten bereits Zeit gehabt, sich die Haare zu bürsten, waren aber noch nicht dazugekommen, ihre Kleidung vollständig zu wechseln. Nun trugen sie nur noch leichte, knielange Hemden, die an die Überwürfe einer Ritterrüstung erinnerten, über ihren Lederhosen, die schockierenderweise die Umrisse ihrer Beine und Hüften preisgaben. Indem sie so das Knie hob und anfasste, hatte ihm Joanna Plantagenet schlagartig den Kopf mit dem Bewusstsein ihrer Nähe gefüllt. Zwar hatte er den Blick sofort abgewendet, dadurch jedoch alles nur verschlimmert, denn nun kam Königin Berengaria ganz ähnlich bekleidet – obwohl ihm sofort das Wort unbekleidet einfiel – auf ihn zu und beugte sich ein wenig vor, wodurch die Umrisse ihrer vollen Brüste betont wurden.
    Instinktiv schloss er die Augen, weil er die Wärme der Röte über sein Gesicht kriechen spürte, doch als er sie wieder öffnete, schien keine der Frauen etwas Ungewöhnliches bemerkt zu haben.
    »Ihr habt mich heute sehr beeindruckt, Master St. Clair«, sagte Joanna. »Die Aufgabe, die Euch zugewiesen wurde, hätte genauso gut einem anderen auferlegt werden können. Das weiß ich wohl, denn ich war es, die aus purem Eigennutz darum gebeten hat, dass Ihr derjenige seid. Doch Ihr habt Euch bewundernswert, geduldig, ohne jedes Stirnrunzeln und ohne ein Wort der Klage geschlagen, auch wenn es eine sehr viel gefährlichere und langwierigere Aufgabe geworden ist, als irgendjemand von uns gedacht hätte. Ihr habt Eure Pflicht vorbildlich getan, und mein Bruder wird alles darüber hören. Meine königliche Schwester hier denkt genauso und wird mir zustimmen. Und nun danken wir Euch für alles, was Ihr heute für uns getan habt.«
    »Es war nur meine Pflicht, wie Ihr schon sagt, Mylady, doch es war mir zugleich ein Vergnügen. Darf ich – darf ich fragen, warum Ihr mich wünschtet?«
    Joanna richtete den Blick rasch auf Berengaria, dann wieder auf St. Clair. Sie hatte den Kopf schief gelegt, und ein winziges Stirnrunzeln der Verärgerung – oder vielleicht auch der Verwunderung – kräuselte die Haut zwischen ihren Augenbrauen.
    »Weil ich den Eindruck habe, dass Ihr denken könnt, Sir, und dass Ihr möglicherweise zu einem vernünftigen Gespräch imstande seid. Warum setzt Ihr also meine gute Meinung jetzt mit einer solch törichten Frage aufs Spiel?«
    Angesichts seiner verständnislosen Miene nahm ihr Stirnrunzeln zu.
    »Ich bin der Meinung –« Sie richtete sich auf. »Es kann Euch doch gewiss nicht entgangen sein, Sir André, dass die meisten anderen Ritter kaum in der Lage ist, überhaupt noch ein Wort hervorzubringen, sobald es nichts mehr über Waffenübungen, Mord, Totschlag und Krieg zu sagen gibt. Ich weiß, dass Ihr fließend lesen und schreiben könnt …«
    »So ist es, Mylady.«
    »Dann unterscheidet Euch dies allein schon von all den Männern, die Euch angeblich ebenbürtig sind. Bischof Charles de Beaulieu hat erst vor Kurzem eine Tatsache ausgesprochen, die mich schon lange entsetzt: Unter zweihundert wahllos zusammengewürfelten Rittern kann nicht ein einziger lesen oder schreiben. Und niemand stört sich daran! Ganz im Gegenteil, sie verhöhnen die, die es können – die natürlich zum Großteil Kleriker sind und ihren Lebensunterhalt damit verdienen. Und durch diese hirnlose Sturköpfigkeit verbreitert sich die Kluft zwischen Rittern und Klerikern noch weiter. Für mich jedoch bedeutet die Tatsache, dass Ihr gebildet seid, Master St. Clair, dass Ihr möglicherweise noch andere Gesprächsthemen als die Kunst der Kriegsführung kennt –

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