Die Brueder des Kreuzes
habe geträumt. Wo sind wir?«
»Das weiß ich genauso wenig wie du.«
Moray massierte sich mit kreisförmigen Bewegungen den rechten Arm und verzog qualvoll das Gesicht, als sich seine Finger in die Muskeln seiner Schulter gruben.
»Verdammt, aber du bist wirklich schwer, Sinclair. Ich fühle mich, als hätte ich seit dem Tag meiner Geburt ein totes Pferd hinter mir hergeschleift.«
Er sah das Stirnrunzeln seines Freundes und winkte ab, bevor sich dieser entschuldigen konnte.
»Du würdest doch das Gleiche für mich tun. Aber ich bin froh, wenn du wieder auf eigenen Füßen stehen und gehen kannst. Dann kannst du mich ziehen.«
Er grunzte und massierte sich die andere Schulter.
»Ich glaube, ich habe eine Stelle gefunden, an der wir morgen im Schatten rasten können. Ich lasse dich hier kurz allein, um mich zu vergewissern. Währenddessen solltest du beten und Gott danken, dass ich so klug war, unsere Rüstungen zurückzulassen, bevor ich unsere Wanderung begonnen habe. Ich bin gleich wieder da.«
Als er kurz darauf zurückkehrte, trug er einen so merkwürdigen Gesichtsausdruck, dass Sinclair fragte: »Stimmt etwas nicht? Hast du doch keinen Unterschlupf gefunden?«
Moray schüttelte den Kopf.
»Hast du gebetet? Es muss so sein. Ich hatte gehofft, eine Lücke zwischen den Felsen zu finden, die uns Schutz bieten würde. Stattdessen habe ich eine Höhle gefunden, und zwar eine Höhle, in der bis vor sehr Kurzem jemand gelebt hat. Ich habe einen Vorrat an Brot gefunden – trocken, aber essbar – und Wasser, Datteln, Dörrfleisch und einen Sack mit getrocknetem Kamel- und Pferdemist zum Feuermachen. Wäre ich nicht schon so lange in diesem verfluchten Heiligen Land , würde ich es für ein Wunder halten. Jedenfalls ist es ein derart glücklicher Zufall, dass er für einen Zyniker wie mich kaum vorstellbar ist.«
Sinclair runzelte die Stirn.
»Wer würde denn hier draußen leben?«
»Irgendein Nomade. Wer sollte sonst auf die Idee kommen, getrockneten Mist zu sammeln?«
»Aber – meinst du, er ist vielleicht noch in der Nähe?«
Moray bückte sich, um die Bahre an ihrem kurzen Querbalken zu packen und Sinclair die Lederriemen auf die Beine zu legen.
»Das bezweifle ich«, sagte er und grunzte vor Anstrengung, als er Sinclairs Gewicht erneut hochhob. »Wer auch immer er war, wahrscheinlich ist er jetzt in La Safouri oder in Tiberias und feiert unsere Niederlage. Da deine Gebete ja so schnell zu wirken scheinen, bete doch, dass ich recht habe. Wir werden es ja bald herausfinden. Jetzt leg dich hin, es ist nicht weit.«
SINCLAIR ERWACHTE IM LICHT DER DÄMMERUNG. Sein Arm stand in Flammen, und der Schmerz schien beinahe lebendig zu sein und in seiner Kehle zu sitzen. Er wusste sofort, was ihm zugestoßen war, dass sein Arm gebrochen war. Doch wo er war und wie er dorthin gekommen war, das wusste er im ersten Augenblick nicht.
Dann hörte er ein leises Geräusch, und als er den Kopf wandte, sah er Moray im morgendlichen Gegenlicht im Eingang der Höhle stehen. Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Er versuchte, Morays Namen zu rufen, doch beim ersten Versuch brachte er keinen Laut heraus, obwohl sich seine Lippen bewegten. Er schluckte, um sich den trockenen Mund anzufeuchten, dann versuchte er es erneut, und seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen.
»Lachlan.«
Moray regte sich nicht, obwohl Sinclair wusste, dass er ihn gehört haben musste. Jetzt fiel ihm die starre Haltung seines Freundes auf. Moray stand stocksteif im Eingang der Höhle und stützte sich mit einer Hand an die Wand der Felsspalte, während er leicht vornübergebeugt in die Ferne blickte, wo er etwas zu beobachten schien.
»Lachlan, was ist? Was siehst du?«
Moray richtete sich ein wenig auf, und seine Anspannung ließ nach. Er drehte sich um und kam auf Sinclair zu.
»Geier«, sagte er, als erklärte dieses Wort alles. »Ich habe sie kreisen gesehen, als ich zum Wasserlassen ins Freie gegangen bin, und ich habe sie beobachtet, bis sie verschwunden sind.«
Sinclair hatte das Gefühl, etwas furchtbar Selbstverständliches nicht zu begreifen.
»Ich verstehe nicht. Hier draußen in der Wüste schweben doch immer Geier am Himmel. Mindestens einer …«
»Aye, bis irgendetwas stirbt. Dann sammeln sie sich wie von Zauberhand in ganzen Schwärmen. Niemand weiß, woran sie es merken, aber sie wissen immer Bescheid.«
»Was willst du damit sagen?«
»Es waren Dutzende, Alec, und jetzt sind sie fort. Sie sind irgendwo gelandet und
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