Die Brueder des Kreuzes
meistens für sich hält. Er muss immer schon ein sehr stiller Mensch gewesen sein, und jetzt ist er einer der gefeiertsten Ritter in ganz Outremer – was nicht sehr zu seinem Wohlbefinden beiträgt.«
Sir Alexander wies auf zwei kleinere Steine. Dann griff er über seine Schulter und zog das große Schwert in seinem Rücken.
»Können wir uns nicht setzen, während wir uns unterhalten? Ich hoffe, Ihr verzeiht mir, dass ich die Waffe ziehe, aber ich kann mich mit dem Schwert nicht setzen.«
Er trat einen Schritt beiseite und lehnte die Waffe mit der langen Klinge aufrecht an einen Stein.
»Das ist eine eindrucksvolle Waffe. Ich glaube nicht, dass ich so etwas schon einmal gesehen habe.«
»Dann seid Ihr noch nie in Schottland gewesen. Dort sind sie sehr verbreitet.«
»Die Klinge muss ja über anderthalb Meter lang sein.«
»Jedenfalls ist sie lang genug, um mir das Ungeziefer vom Hals zu halten, wenn ich sie um meinen Kopf schwinge.«
André lachte und warf einen weiteren Blick auf die eindrucksvolle Klinge, die an der Stelle, wo sie auf das Heft traf, mindestens eine volle Hand breit war.
»Wo waren wir gerade?«
»Bei Eurem Freund. Ihr sagt, er fühlt sich beklommen. Warum?«
André verschränkte die Arme vor der Brust.
»Nun, er ist Mönch, und für manche von ihnen ist Beklommenheit eine Religion. Aber wenn ich einen ernsthaften Grund vermuten sollte, würde ich sagen, er fühlt sich schuldig, weil er bei der Katastrophe von Hattin nicht zugegen war. Ein paar Tage vor der Schlacht war er noch mit dem Rest des Heeres in der Oase La Safouri, doch dann hat man ihn als Kurier nach Ascalon geschickt, am Abend bevor de Chatillon und seine Lakaien König Guido überredet haben, die Oase zu verlassen und direkt nach Tiberias zu marschieren. Die meisten seiner Freunde sind dabei gestorben.«
»Und Ihr glaubt, er fühlt sich schuldig, weil er noch lebt? Dann muss ich mit ihm reden. Ich war an jenem Tag dabei, und Ihr könnt mir glauben, wenn ich sage, dass Harry keinen Grund hat, sich Vorwürfe zu machen, weil er das Glück hatte, anderswo zu sein. Was hat ihn denn nach Acre verschlagen?«
»Kurz vor dem Fall von Ascalon hat er sich die Flucht erkämpft und die folgenden Monate mit der Erkundung Palästinas verbracht, manchmal zu Pferd, meistens jedoch zu Fuß. Die gesamte Region war in Aufruhr, denn nach Hattin waren die Moslems unbesiegbar, und unsere Seite konnte kaum noch eine Kavallerietruppe auf die Beine stellen. Alle Städte des Königreichs sind gefallen, und Harry war anscheinend meistens dabei, für gewöhnlich dort, wo am heftigsten gekämpft wurde. Er ist zwar ein paar Mal verwundet worden, doch er ist jedes Mal mit dem Leben davongekommen, und man begann, ihm nachzusagen, er sei unzerstörbar. In einer Zeit, in der es keine ranghohen Offiziere gab, haben sich die Männer um Harry geschart und ihn gegen seinen Willen zu ihrem Anführer gemacht. Schließlich hat er einen müden Haufen Männer zurück nach Tyrus geführt.«
»Wisst Ihr, wie lange das her ist?«
»Nein, aber Harry kann es Euch sagen. Es muss mindestens ein halbes Jahr nach Hattin gewesen sein.«
»Aye, mindestens. Also hat er Tyrus erreicht. Sie müssen ihn ja gefeiert haben, als er nach so langer Zeit dort eingetroffen ist.«
»Anscheinend haben sie es zumindest versucht, denn die Männer, die ihn begleitet haben, haben unablässig sein Loblied gesungen, und die Franken hatten in diesen Tagen weiß Gott Helden nötig … ruhmreiche Helden, aber auch Helden wider Willen. Vor allem in Tyrus.«
Alec Sinclair nickte. Tyrus war die einzige Stadt im ganzen Heiligen Land, die in Christenhand geblieben war, und in den Wochen und Monaten nach Hattin hatte Tyrus sich bis zum Überlaufen mit den Resten der christlichen Armee gefüllt. Inzwischen regierte dort Conrad de Montferrat mit eiserner Faust, und er maßte sich sogar das Kommando über die letzten dort verbliebenen Templer an – ein untrügliches Zeichen dafür, wie tief die Templer nach Hattin gesunken waren.
»Bei Harrys Ankunft haben sich weniger als hundert Templer – Ritter und Sergeanten zusammengenommen – in der Stadt aufgehalten, und er hatte auch nur dreihundert dabei. Aber Gerard de Ridefort war bereits dort.«
»Und nicht sehr angetan von der Lage, wie ich vermute.«
»Anscheinend.«
Dazu brauchten die beiden Männer nicht mehr zu sagen.
De Ridefort, der schon in guten Tagen ein notorischer Choleriker und Ignorant war, kochte in Tyrus vor ohnmächtiger Wut.
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