Die Brueder des Kreuzes
irgendein Schlaukopf beschließen, bis dahin ausgerechnet an unserem Treffpunkt das Zelt eines Generals zu errichten, bleibt es trotzdem dabei, denn uns wird ja niemand erkennen. Und in einem solchen Fall suchen wir uns dann eben gemeinsam einen anderen Ort.«
André winkte und sah zu, wie sein Vetter der herannahenden Walze entgegengaloppierte. Dann steckte er die Depeschen ein und wandte sein Pferd den Stallungen zu.
Schon seit Wochen wurden Vorbereitungen für die Ankunft der gewaltigen Armee getroffen, und südöstlich seines Standpunktes hatte man eine ganze Stadt aus Straßenzügen angelegt, zwischen denen sich das Zeltlager der unterschiedlichen Armeekontingente ansiedeln würde. Er beschloss, den Nachmittag damit zu verbringen, den Einmarsch der Armee zu beobachten, sich aber außer Sichtweite zu halten. Am Abend würde er Alecs Depeschen lesen, und was morgen kam, würde man schon sehen.
Während er sein Pferd in Bewegung setzte, fragte er sich, was wohl den Garnisonskommandeuren in Acre durch den Kopf gehen mochte, als sie nun beobachteten, wie die herannahenden Staubwolken der fränkischen Armee den Himmel verdunkelten.
2
N
ACH DEN ÜBLICHEN anfänglichen Schwierigkeiten verlief die Einquartierung, die bis weit nach Anbruch der Dunkelheit dauerte, problemlos. Schließlich verstummte das Getöse, die abgehackten Anweisungen der Sergeanten verstummten, und dann war auch die letzte Einheit untergebracht. Der Rest der Nacht verstrich in relativem Frieden.
André St. Clair hatte sich feines weißes Kerzenwachs in die Ohren gesteckt und vier Stunden damit verbracht, sich teilweise bei Kerzenschein mit dem Inhalt der Dokumente vertraut zu machen, die er für seinen Vetter über das Meer transportiert hatte. Nun war er sich einigermaßen sicher zu verstehen, was Alec und er selbst zu tun hatten. Was ihm jetzt noch an Wissen fehlte, konnte er nur von Alec erfahren, und er konnte es kaum abwarten, ihr Gespräch fortzusetzen.
Weil er zu Recht vermutete, dass die allgemeine Begeisterung für nächtliche Gebete unter dem geschäftigen Treiben des vorangegangenen Tages und Abends leiden würde, ließ er das Morgengebet aus. Bevor der erste Hauch von Tageslicht herandämmerte, war er schon auf dem Weg in den Stall, um sich ein Pferd auszusuchen. Im schwachen Schein der letzten Sterne ritt er in die Wüste hinaus. Am Treffpunkt stieg er vom Pferd, sattelte es ab und band ihm einen Beutel mit etwas Hafer um. Danach überließ er das Tier sich selbst und schaufelte sich eine neue Sitzmulde im Sand.
Eine Stunde später – die Sonne war längst aufgegangen – wusste er, dass Alec durch irgendetwas aufgehalten worden war. Er beschloss, noch eine halbe Stunde zu warten und dann zu seinem Zelt zurückzukehren. Es war zwecklos, an eine Suche nach seinem Vetter nur zu denken, denn er hatte nicht die geringste Vorstellung, wo er damit hätte beginnen sollen.
Mit einer Hand glättete er eine rechteckige Sandfläche und steckte einen Dolch in die Mitte, um eine Sonnenuhr herzustellen. Dann setzte er sich und sah zu, wie der Schatten langsam auf die Linie zuwanderte, die er gezogen hatte, um die halbe Stunde zu markieren. Als der Schatten auf die Linie fiel, wartete er noch einige weitere Minuten. Dann erhob er sich, steckte den Dolch ein und ging zu seinem geduldig wartenden Pferd, um es zu satteln. Gerade zog er die Gurte nach, als er Geräusche näher kommen hörte. Er blickte auf und sah Alec mit ernster Miene heranreiten.
»Willkommen, Ritter der traurigen Miene. Ihr habt Euch ja Zeit gelassen. Wo seid Ihr gewesen?«
Er war immer noch mit seinem Pferd beschäftigt, doch als er keine Antwort auf seine scherzhafte Begrüßung hörte, wandte er sich um und sah, dass jede Wärme aus dem Gesicht seines Vetters gewichen war.
»Alec? In Gottes Namen, Mann, Ihr seht ja furchtbar aus. Was ist geschehen? Ist etwas mit de Sablé?«
Wie betäubt schüttelte Alec Sinclair den Kopf. Dann schwang er das Bein über den Sattel hinweg und ließ sich zu Boden gleiten. Er landete geschickt, doch sein Blick war glasig.
»De Sablé geht es gut. Ich habe ihn gerade noch gesehen. Kommt und setzt Euch.«
Steifbeinig ließ er sich in Andrés Sandmulde nieder. André ballte sich der Magen zusammen. Er klopfte dem Pferd auf die Flanke und ließ es stehen, um sich neben seinem Vetter in den Sand zu setzen.
»Alec, sagt mir, was Euch so bekümmert. Ihr seid doch gestern zu de Sablé geritten. Warum musstet Ihr dann heute mit ihm
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