Die Brueder des Kreuzes
sprechen?«
»Gestern konnte ich ihn nicht finden. Er hatte zu viel zu tun. Also habe ich eine Nachricht für ihn hinterlassen, und heute Morgen hat er mich zu sich rufen lassen.«
Alec richtete sich auf und holte tief Luft. Irgendetwas schien ihn furchtbar zu quälen. Doch bevor er noch etwas sagen konnte, beugte sich Alec vor, packte ihn mit beiden Händen an seinem Überrock und zog ihn an sich, um ihn zu umarmen.
»André – Euer … Euer Vater ist tot.«
André zeigte keine Reaktion auf diese Worte.
Er spürte, wie sich die Kettenglieder von Andrés Rüstung schmerzhaft in seine Wange bohrten, und die Umarmung war ebenso unbequem, wie sie ihm peinlich war. Ihm ging sogar der Gedanke durch den Kopf, dass sie beide hochgradig kompromittiert sein würden, wenn sie jemand so sah. Doch die Worte selbst hatten keine Bedeutung für ihn.
Sein Vater war tot. Er wusste, dass dies wichtig sein musste, doch er hatte das Gesicht in der Kleidung seines Vetters vergraben, und plötzlich begriff er, dass ihn Alec Sinclairs Geruch an seinen Vater erinnerte. In diesem Moment fielen die Barrieren, und er verstand, was Alec gesagt hatte.
Viel, viel später sollte er sich daran erinnern, wie ihn Alec ernst und besorgt betrachtete, während er ihm erzählte, wie Sir Henry eines Abends mit zwei seiner Unteroffiziere auf dem Rückweg von Famagusta in einen Hinterhalt geraten und getötet worden war. Dort hatten sie die Einzelheiten eines Angriffs vorbereitet, den Guido von Lusignan am nächsten Tag gegen Isaac Comnenus führen sollte. Man hatte die Angreifer weder erkannt noch ergriffen, doch alles deutete darauf hin, dass eine der Rebellenbanden, die die Hügel im Norden der Stadt unsicher machten, die Tat ausgeführt hatte.
Sir Henry St. Clair hatte sämtliche Dienstpflichten an den Lehnsherrn übergeben, dem er sein Leben lang so treu gedient hatte. Er und seine beiden Begleiter waren mit vollen militärischen Ehren bestattet worden. Der König selbst war zugegen, begleitet von einer Schar illustrer Würdenträger aus seinem gesamten Reich, darunter auch Sir Robert de Sablé. Der Erzbischof von Auxienne hatte für die Seelen der gefallenen Helden gebetet, und Richard von England hatte persönlich eine Lobrede auf seinen Fechtmeister gehalten, von dem er so viel gelernt hatte.
All diese Dinge, das ahnte André immerhin, würden ihm vielleicht irgendwann einmal Grund zum Stolz und zur Freude geben, doch vorerst empfand er nur gähnende Leere, und all dies war bedeutungslos.
Als sie ins Lager zurückkehrten, suchte Alec Sinclair medizinische Hilfe für seinen Vetter, denn dieser war in tiefe Betrübnis verfallen, aus der er sich nicht aufrütteln ließ. Seine Wahl fiel auf den berühmten moslemischen Heiler Saif ad-Din Yildirim.
Yildirim verordnete André St. Clair eine Kur, die sich aus flüssiger Nahrung und konzentrierten Opiaten zusammensetzte und ihn zunächst vor allem schlafen lassen sollte. Ruhe und Schlaf, so der Arzt, würden ihm helfen, den außergewöhnlich heftigen Schock zu überwinden – und so geschah es auch.
Am Morgen des vierten Tages setzte Yildirim das Opium ab, und am Morgen des nächsten Tages erwachte André St. Clair zur gewohnten Stunde, ohne sich erinnern zu können, je krank gewesen zu sein. Er konnte sich erinnern, wie ihm Alec die schlechte Nachricht überbrachte, und er empfand Trauer und Schmerz, verhielt sich aber jetzt so, wie es jeder junge Mann nach dem Tod eines geliebten Elternteils getan hätte.
Ein wenig später am selben Tag suchte André seinen Vetter im neuen Quartier der Ritter auf, das sich in der Nähe des Templerzeltes befand, eines herrlichen, mit Banner verzierten Pavillons, der den Templern im Feld als Kommandoposten diente.
Noch vor einer Woche hätte sich Alexander Sinclair geweigert, sich freiwillig so dicht in der Nähe des obersten Templerkommandos aufzuhalten, doch es gab einen einfachen Grund für seinen Sinneswandel: Der Pavillon Sir Robert de Sablés stand direkt neben dem Templerzelt. Man hatte dieses Zelt, das kaum weniger prachtvoll war als sein beeindruckender Nachbar, vor einigen Tagen errichtet, als Sir Robert das Amt des Flottenkommandeurs offiziell niedergelegt und seinen neuen Posten als Großmeister des Templerordens angenommen hatte.
Alec, der de Sablé schon seit über zwanzig Jahren kannte und mit ihm gemeinsam in die Bruderschaft von Sion erhoben worden war, hatte diesem seine rückhaltlose Hilfe angeboten. De Sablé hatte das Angebot begeistert
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