Die Brueder des Kreuzes
Freund, der König, vielleicht Unmut über einen seiner weniger bedeutenden Untergebenen geäußert hatte.
Natürlich hatte er selbst keinen Versuch unternommen, sich nach Richards Eintreffen in Outremer mit seinem Lehnsherrn in Verbindung zu setzen. Es mochte Leute geben, die dies als Desertion bezeichnet hätten, doch eine leise Stimme in seinem Hinterkopf erinnerte André flüsternd an Loyalität und Verantwortung.
Sir Henry St. Clair hatte alles aufgegeben und seinen verdienten Ruhestand aufgegeben, um sich erneut in einem fremden Land in den Dienst seines Königs zu stellen. Tapfer hatte er sich in einem Alter, in dem viele seiner Zeitgenossen bereits an Altersschwäche starben, neue Fähigkeiten angeeignet, und tief in seinem Inneren hatte André das Gefühl, dass es an Richard war, von sich aus dem Sohn des alten Mannes sein Beileid auszusprechen.
Bis dahin, so begriff er jetzt, würde er keinen Versuch unternehmen, auf den König zuzugehen. Und was die beiden Frauen betraf, so dachte er halb grinsend, halb stöhnend, dass es gut war, dass er dieser Situation entkommen war … auch wenn sich eine andere Stimme in seinem Hinterkopf dazu manchmal traurig zu Wort meldete.
Er stöhnte herzhaft auf, atmete tief durch und versuchte, diese Gedanken wieder zu verdrängen. Dann wendete er sein Pferd und kehrte zu seiner Schwadron zurück.
Die folgenden Tage verbrachte er damit, seine vagen und verwirrenden Schuldgefühle gegenüber Richard zu ersticken, indem er seine Männer gnadenlos exerzieren ließ.
Vier Tage später, am zwölften Juli, fiel die Stadt, und innerhalb eines Wimpernschlags schien sich alles zu ändern. Die Moral der gesamten Armee wurde angestachelt, und plötzlich breitete sich wieder Begeisterung aus, und jeder suchte begierig nach einer konkreten Aufgabe, um hinterher berichten zu können, wie er beim Fall von Acre mit Hand angelegt hatte.
Obwohl André nichts mit alledem zu tun haben wollte, konnte er sich dem Sog der Ereignisse nicht entziehen. Man enthob ihn des Kommandos über die Schwadron und beförderte ihn zum Kommandeur einer eigens aufgestellten Truppe von hundert Reitern, die während der Kapitulation für Ruhe und Frieden sorgen sollten.
So verfolgte er am Tag der Kapitulation gemeinsam mit seinen Kameraden vom Sattel aus, wie die besiegten Araber aus der Stadt abmarschierten, die sie so lange verteidigt hatten.
Die Menge, die die Evakuierung beobachtete, war gigantisch; jeder Soldat der Frankenarmee, der an diesem Tag keinen Dienst tun musste, schaute sich den Abmarsch des Feindes an. Wer aber eine Prozession zerlumpter, bedrückter Gestalten erwartete, sah sich getäuscht. Der Feind verließ die Tore als lange Kolonne. Erhobenen Kopfes schritten sie daher und strahlten eine solche Würde aus, dass den Franken jeder Wunsch zu jubeln verging. Stattdessen sahen sie in tiefem Schweigen zu, unter das sich Respekt mischte, und kein Einziger von ihnen dachte daran, den davonziehenden Feind zu schmähen.
André St. Clair empfand so etwas wie Stolz, während er den Abzug beobachtete, denn er wusste, dass auch sein Vetter Alec stolz darauf gewesen wäre, wie diese Männer ihre Niederlage akzeptierten, ohne sich dem Feind gegenüber unterwürfig zu zeigen. Als der Letzte von ihnen vorbeigezogen war und sich nur noch Gefangene und Geiseln in der Stadt befanden, gab der Offizier, der Andrés Einheit befehligte, das vereinbarte Signal, und die Reiter ordneten sich hinter den Arabern jeweils zu viert nebeneinander in Formation an. Sie begleiteten die Araber bis zum Ende der Belagerungslinien, von wo aus sie sie in die Wüste ziehen ließen.
»WEISS IRGENDJEMAND, WARUM wir hier so in der Sonne sitzen, als hätten wir alle den Verstand verloren?«
André St. Clair, der zwei Pferdelängen vor der ersten Reihe seiner eigenen Schwadron im Sattel saß, hörte die Frage deutlich – sie kam aus den Reihen der Ritter vor ihm –, doch er versuchte weder, sie zu beantworten, noch dachte er überhaupt darüber nach, wie eine solche Antwort lauten könnte. Seine ganze Aufmerksamkeit galt einem Problem, das ihm viel größere Sorgen bereitete. Irgendein Tier krabbelte ihm unter seinem rechten Arm über die Rippen, und das gemächliche Kitzeln war geradezu unerträglich. Er wusste nicht, ob es eine Laus oder ein Käfer war, und es interessierte ihn auch nicht. Er wusste nur, dass es ihm unmöglich war, sich zu kratzen, das Tier zu fangen oder es irgendwie aufzuhalten, denn es war durch mehrere Lagen
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