Die Brueder des Kreuzes
der hier zu Besuch weilte. Dann haben sie verbreitet, sie hätten ihn auf dem Weg zu ihrem nun verstorbenen Bruder dabei angetroffen, wie er einen jungen Sünder zur Rede stellte, der dabei war, mit einem jüngeren Knaben Sodomie zu begehen –«
»Verzeihung –«, begann de Sablé, doch Richard gebot ihm zu schweigen.
»Fahrt fort, Henry. Wolltet Ihr etwa sagen, dass sie André der Sodomie mit einem Jungen bezichtigt haben?«
»Aye, Mylord. Das wollte ich.«
»Dann sprecht weiter.«
»Sie haben gesagt, sie hätten gesehen, wie der entsetzte Priester den Kinderschänder zur Rede stellen und den Jungen retten wollte, doch der Sodomit hätte den Jungen fortgescheucht und dann sein Schwert ergriffen und Vater de Leon umgebracht, indem er ihm den Schädel spaltete. Dann hätte er dem Priester den Kopf abgetrennt und ihn in de Leons Priestergewänder gehüllt mitgenommen. Die nackte Leiche hätte er als unidentifizierbar zurückgelassen. Er hätte sie nicht gesehen, sagten sie, weil er durch den angeschwollenen Fluss von ihnen getrennt gewesen sei. Sobald er fort gewesen sei, hätten sie die Brücke überquert und seien zum Tatort zurückgekehrt, von wo sie den Hufspuren des Mörders zur Teufelsgrube gefolgt seien, wo sie gerade noch rechtzeitig eingetroffen seien, um zu sehen, wie er den abgetrennten Kopf in den Abgrund geworfen habe. In Todesangst hätten sie sich versteckt und gewartet, bis der Mörder davongeritten sei. Dann hätten sie sich zum Schloss ihres Gastgebers Baron Reynauld de la Fourrière begeben und unter Eid vor ihm und ihrem Vorgesetzten Abt Thomas bezeugt, was sie gesehen hätten. Einer von ihnen, der Priester namens de Blois, hätte den Mörder erkannt, einen hiesigen Ritter namens André St. Clair.«
St. Clair ließ den Blick zwischen seinen beiden Zuhörern hin und her schweifen, die beide mit versteinerter Miene dasaßen. Als er sah, dass keiner von ihnen etwas zu sagen hatte, fuhr er fort.
»Ich habe am nächsten Morgen davon erfahren, als Baron de la Fourrières Männer an meine Tür hämmerten und die Herausgabe meines Sohnes forderten, den man der Sodomie und des Mordes bezichtige. Glücklicherweise war André schon fort, als sie kamen, und ich habe ihm durch einen Boten ausrichten lassen, sich vom Haus fernzuhalten.«
»Sodomie.« Richards Stimme war flach und hart. »Sie haben André der Sodomie bezichtigt?«
»Aye, Mylord. Das haben sie.«
»Und Ihr habt nichts getan? Ich finde das schwer zu glauben.«
»Was hätte ich denn tun können? Und was hätten sie tun können? André war für sie nicht auffindbar, und mir war klar, dass ich dafür sorgen musste, dass er das auch blieb, denn ich hatte keine Hoffnung, dass er in dieser Angelegenheit von der Kirche Gerechtigkeit erwarten konnte. Natürlich musste ich mich dazu fragen, welcher vernünftige Mensch ernsthaft in Betracht ziehen würde, dass drei verängstigte Priester ihren Kameraden geköpft und seinen Kopf haben verschwinden lassen, um sich selbst zu schützen – oder dass der Angeklagte, der ja nicht geleugnet hat, den Toten umgebracht zu haben, die Wahrheit sagen könnte, wenn er die drei priesterlichen Ankläger der Vergewaltigung und des Mordes an einer unschuldigen Frau bezichtigt. Und so habe ich meinen Sohn seitdem nicht mehr gesehen.«
»Nicht ein einziges Mal? Warum denn nicht?«
»Weil ich es nicht wage, Herr. Ich werde unablässig beobachtet, und abgesehen von wenigen Ausnahmen habe ich keine Ahnung, wem ich trauen soll. Man hat eine Belohnung auf den Kopf meines Sohnes ausgesetzt, die jeden in Versuchung führen würde, ihn der Kirche und ihren Vorstellungen von Gerechtigkeit auszuliefern.«
Sir Robert de Sablé sah Richard an.
»Darf ich sprechen, Herr?«
»Natürlich dürft Ihr das. Sprecht.«
»Es beunruhigt mich, dass die Frau weder identifiziert wurde noch dass nach ihr gefragt wurde oder sie vermisst gemeldet wurde. Ich finde das nicht nur unglaublich, sondern auch zutiefst bestürzend, denn es wirft ein merkwürdiges Licht auf beide Seiten dieser traurigen Geschichte.«
Er richtete den Blick auf St. Clair.
»Habt Ihr überhaupt mit Eurem Sohn darüber gesprochen?«
St. Clairs Kopfschütteln war kurz.
»Nein. Als er mich von der Sache unterrichtet hat, schien ihre Identität nicht von Bedeutung zu sein. In diesem Moment war es mir am wichtigsten, sofort dafür zu sorgen, dass ihre Leiche und die ihres Angreifers geborgen wurden. Ich bin davon ausgegangen, dass später genug Zeit sein würde
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