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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Sebastians Schläfe aufpulsen zu sehen, doch als er sich zu ihr umdrehte, war sein Gesicht nur Liebe und Zuneigung. Er küsste sie auf die breite Schnalle ihres Ledergürtels.
    »Das ist toll von dir. Ich weiß das zu schätzen. Aber ich denke nicht, dass ich Carola einladen werde. Sie hat ihren Abstand gefunden. Und das ist gut so.«
    Die Meldung überraschte Tessa beim Stillen. Die Prozedur war immer noch schwierig, ihre Warzen häufig entzündet und Victor ungeduldig, wenn es nicht so schnell ging, wie er wollte. Trotzdem wagte Tessa es jetzt, leise den Fernseher laufen zu lassen, wenn ihr Sohn an ihrer Brust lag. Gabriele Behrens, die strahlende Kanzlerkandidatin, die Woche für Woche bessere Umfragewerte bekommen hatte, stand unter dem Verdacht, in ihrer Vergangenheit ein Kind gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben zu haben. Tessa suchte die Fernbedienung, um den Ton lauter zu stellen. Die Politikerin, die die Familie fördern wollte. Die Frau, die im bisherigen Wahlkampf so perfekt gewirkt hatte, dass der Kandidat der Gegnerpartei bereits zwei Wahlkampfmanager entlassen hatte. Die Frau, die sie zu ihrer Hochzeit hatte einladen wollen.
    Victors Schreien machte Tessa bewusst, dass sie ihn für einige Sekunden vollständig vergessen hatte.
    »Ist ja gut, mein Schatz, da kommt gerade eine ganz wichtige Nachricht, und da muss Mama ein bisschen zuhören, sshhh …«
    Victor warf den Kopf zurück und schrie noch lauter. Tessa konnte nicht mehr verstehen, was der Reporter sagte.
    »Victor … Sshhh … Nicht weinen … Guck mal, du kannst doch weitertrinken …« Sie schob ihm ihre Brust wieder hin, sein Gesicht färbte sich langsam rot. »Sebastian!« Tessa fragte sich, wieso Victors Geschrei ihn noch nicht herbeigerufen hatte. »Sebastian!«
    Er kam, barfuß, gehetzt. »Entschuldige, ich war am Telefon.«
    »Kannst du Victor nehmen? Da scheint gerade ein Riesenskandal um die Behrens hochzukommen, ich muss das sehen.«
    »Die Behrens?« Sebastian kam weiter in den Raum, sodass auch er auf den Bildschirm an der Wand gucken konnte.
    »Sie soll früher mal ein Kind zur Adoption freigegeben haben.«
    »Ach nee.«
    »Sebastian. Bitte.« Tessa versuchte, ihre Brust zu befreien, die der zahnlose Mund ihres Sohnes mit erstaunlicher Kraft festhielt. Kaum war es ihr gelungen, begann Victor wieder zu schreien.
    »Bist du sicher, dass er genug bekommen hat?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich will jetzt fünf Minuten konzentriert zuhören.«
    »Meinst du nicht, dass du ihn doch lieber fertig stillst? Ich bring ihn dann ins Bett. Wenn die Nachricht stimmt, läuft das heute eh den ganzen Abend.«
    Tessa warf ihm einen langen stummen Blick zu. Schweigend kam Sebastian zum Sofa und nahm den schreienden Victor entgegen.
    »Sshhh … Ist ja gut … Recht hast du, schimpf auf Mama … Böse Mama … Rabenmama …« Er krächzte wie ein heiserer Vogel. Victors Schreie wurde erst etwas leiser, als Sebastian mit ihm im Kinderzimmer verschwand und die Tür schloss. Tessa verrieb den Milchtropfen, der an ihrer Brustwarze hing, machte den BH zu und stellte den Ton noch etwas lauter.
    Diese Augen! Das sind ja Ozeane.«
    »Zum Anbeißen! Diese Händchen!«
    »Hat er schon den ersten Zahn?«
    Victor starrte in die vielen fremden Gesichter, und Tessa betete, dass keiner eine falsche Bewegung machte, die ihn zum Weinen brachte. Aber alle hielten Abstand, niemand fasste ins Körbchen, als spürten sie, dass hier ein ganz besonderes Kind lag.
    Vier Monate war es her, dass sie zum letzten Mal den Konferenzraum betreten hatte. Bis zuletzt war Tessa nicht sicher gewesen, ob sie Victor mitnehmen sollte, aber in dem Moment, in dem sie mit dem Tragekörbchen hereingekommen war und alle applaudiert hatten, hatte sie gewusst, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.
    »Guten Tag, schöne Frau. Herzlichen Glückwunsch. Der Kleine ist eine Wucht.«
    Ben gab Tessa den üblichen Begrüßungskuss. »Wie stellst du das nur an? Du bist in den vier Monaten noch schöner geworden.«
    »Das ist die berühmte Glückskur.«
    Ben lachte. »Ich hab mich total über die Einladung gefreut. Ist es okay, wenn ich einen Freund mitbringe?«
    »Na klar.«
    Tessa hatte das Gefühl, dass Ben sich gern noch weiter bedankt hätte, aber Attila schob ihn beiseite, legte ihr den Arm um die Schulter und drückte sie an sich.
    »Das hast du gut gemacht, Mädchen«, sagte er laut. »Ein Prachtkerl. Ich bin wirklich stolz, dass ich sein Taufpate sein darf.«
    Tessa errötete.

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