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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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weniger großen Teil der Schauplatz einer
    Illusion gewesen ist.
    Halten wir uns daher an einen Begriff von Wahrheit und
    Falschheit, der weniger angefochten, wenn auch philo-
    sophisch anfechtbar ist (aber wenn man auf die
    Philosophen hört, ist bekanntlich alles anfechtbar und man
    kommt nie ans Ende). Halten wir uns an das in der
    abendländischen Kultur wissenschaftlich oder historisch
    akzeptierte Wahrheitskriterium; das heißt an jenes, nach
    welchem wir alle uns darüber einig sind, daß Julius Caesar
    an den Iden des März getötet worden ist, daß die Truppen
    333
    des jungen savoyischen Königreiches am 20. September
    1870 durch die Bresche der Porta Pia nach Rom
    eingedrungen sind, daß die Formel der Schwefelsäure
    H2SO4 lautet oder daß der Delphin ein Säugetier ist.
    Selbstverständlich kann jede dieser Erkenntnisse
    aufgrund neuer Entdeckungen revidiert werden; aber
    einstweilen sind sie so in der Enzyklopädie registriert, und
    bis zum Beweis des Gegenteils glauben und betrachten wir
    es als eine faktische Wahrheit, daß die chemische
    Zusammensetzung des Wassers H2O ist (manche Philo-
    sophen glauben sogar, daß diese Wahrheit für alle
    möglichen Welten gilt).
    Nun ist es im Lauf der Geschichte vorgekommen, daß
    Glaubensvorstellungen und Behauptungen, die von der
    Enzyklopädie effektiv dementiert werden, als glaubwürdig angesehen wurden; als dermaßen glaubwürdig, daß sie die
    Gelehrten zum Schweigen brachten, Imperien entstehen
    und zusammenbrechen ließen, die Dichter inspirierten (die
    nicht immer die Zeugen der Wahrheit sind) und die
    Menschen insgesamt zu heroischen Opfern, zu Intoleranz,
    zu Blutbädern und zur Suche nach Weisheit trieben. Wenn
    dem so ist, wie kann man dann leugnen, daß es eine Kraft
    des Falschen gibt?
    Das fast kanonische Beispiel ist das der ptolemäischen
    Hypothese. Heute wissen wir, daß sich die Menschheit
    jahrhundertelang mit einem falschen Bild der Welt auf
    ebendieser bewegt hat. Sie hat alle möglichen Listen und
    Kniffe aufgeboten, um die Falschheit ihres Bildes
    auszugleichen, hat Epizyklen und Deferenten erfunden,
    hat schließlich mit Tycho Brahe versucht, die Planeten
    allesamt um die Sonne kreisen zu lassen, solange diese nur
    fortfährt, um die Erde zu kreisen. Auf der Basis dieses
    Bildes bewegten sich, ich sage nicht Dante Alighieri, was
    nichts bedeuten würde, aber die phönizischen Seefahrer,
    334
    Sankt Brendan, Eric der Rote und Christoph Kolumbus
    (und einer der beiden ist immerhin als erster nach Amerika
    gelangt). Damit nicht genug, auf der Grundlage dieser
    falschen Hypothese ist es gelungen, den Globus in
    Längen- und Breitengrade einzuteilen, so wie wir es heute
    noch tun, nachdem wir lediglich den Nullmeridian von
    den Kanarischen Inseln nach Greenwich verlagert haben.
    Das Beispiel des Ptolemäus, das von weitem an die
    unglückliche Geschichte Galileis erinnert, scheint wie
    geschaffen, uns mit weltlicher Überheblichkeit glauben zu
    lassen, meine Geschichte der Falschheit und ihrer Macht
    beträfe nur Fälle, in denen dogmatisches Denken sich
    gegen das Licht der Wahrheit versperrt. Hier aber nun eine
    Geschichte mit umgekehrtem Vorzeichen: die Geschichte
    einer anderen Falschheit, die vom neuzeitlich-weltlichen
    Denken langsam aufgebaut worden ist, um das religiöse
    Denken zu diffamieren.
    Machen wir einmal ein Experiment und fragen wir eine
    Durchschnittsperson, was ihrer Meinung nach Christoph
    Kolumbus beweisen wollte, als er auszog, »den Osten über
    den Westen zu erreichen«, wie er sagte, und warum die
    Gelehrten von Salamanca ihn so hartnäckig daran hindern
    wollten. In den meisten Fällen wird die Antwort sein, daß
    Kolumbus die Erde für rund hielt, während die Gelehrten
    von Salamanca glaubten, sie sei eine Scheibe und nach
    kurzer Fahrt würden die drei Karavellen in den kos-
    mischen Abgrund stürzen.
    Das laizistische Denken der Aufklärung hat, erbost über
    die Weigerung der Kirche, die heliozentrische Hypothese
    zu akzeptieren, dem ganzen christlichen Denken des
    Mittelalters (dem patristischen wie dem scholastischen)
    die Vorstellung von der Erde als flacher Scheibe
    zugeschrieben. Das positivistische und antiklerikale
    335
    19. Jahrhundert hat sich dieses Klischee zu eigen gemacht,
    das, wie Jeffrey Burton Russell3 gezeigt hat, durch den
    Kampf der Verfechter der Darwinschen Hypothese gegen
    jede Form von Fundamentalismus noch bestärkt worden
    ist. Ging es ihnen doch darum zu beweisen, daß die
    Kirchen,

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