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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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so wie sie sich über die Kugelgestalt der Erde
    getäuscht hatten, sich auch über den Ursprung der
    menschlichen Gattung täuschen konnten.
    Man machte sich daher den Umstand zunutze, daß ein
    christlicher Autor des 4. Jahrhunderts wie Lactantius (in
    seinen Institutiones divinae )zur Rechtfertigung der zahlreichen Bibelstellen, in denen das Universum in Form
    eines Tabernakels beschrieben wird, also als ein
    rechteckiges Gebilde, sich gegen die heidnischen Theorien
    von der kugelförmigen Erde stellte, auch weil er die
    Vorstellung nicht akzeptieren konnte, daß es Antipoden
    gebe, wo die Menschen kopfunten gehen müßten …
    Im übrigen war entdeckt worden, daß ein byzantinischer
    Geograph des 4. Jahrhunderts namens Kosmas Indiko-
    pleustes in seiner Topographia Christiana die Ansicht
    vertreten hatte, das Universum sei ein rechteckiges
    Gebilde mit einem Bogen, der sich über dem flachen
    Erdboden wölbte (also wieder der Archetyp des Taber-
    nakels). In der maßgeblichen History of Planetry Systems
    from Thaies to Kepler von J. L. E. Dreyer4 wird zwar eingeräumt, daß Kosmas kein offizieller Vertreter der
    Kirche war, aber seiner Theorie wird breiter Raum
    gegeben. Auch E. J. Dijksterhuis versichert in seinem
    Buch Die Mechanisierung des Weltbildes 5, daß man zwar 3 Inventing the Flat Earth , New York, 1991.
    4 Cambridge, Cambridge University Press, 1906.
    5 Berlin, Springer, 1956; das niederländische Original De
    mechanisering van het wereldbeeld erschien 1950.
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    Lactantius und Kosmas nicht als typisch für die natur-
    wissenschaftliche Bildung der Kirchenväter betrachten
    könne, daß aber Kosmas’ Theorie jahrhundertelang die
    vorherrschende Meinung gewesen sei.
    Tatsache ist, daß Lactantius von der christlichen Kultur
    der Antike und des Mittelalters kaum zur Kenntnis
    genommen wurde und daß der Text des Kosmas, der auf
    griechisch verfaßt war, also in einer Sprache, die das
    Mittelalter vergessen hatte, der westlichen Welt erst 1706
    durch die Collectio nova patrum et scriptorum graecorum
    von Montfaucon bekannt wurde. Kein mittelalterlicher
    Autor hat ihn gekannt, und als eine Autorität der »Dark
    Ages« wurde er erst nach seiner englischen Publikation im
    Jahre 1897 (!) betrachtet.
    Daß die Erde rund ist, wußte natürlich schon Ptolemäus,
    sonst hätte er sie nicht in dreihundertsechzig Meridiane
    einteilen können, desgleichen wußte es Erathostenes, der
    im dritten Jahrhundert vor Christus die Länge des
    Äquators annähernd richtig berechnet hatte, desgleichen
    wußten es Pythagoras, Parmenides, Eudoxos, Platon,
    Aristoteles, Euklid, Aristarch, Archimedes – und wie man
    entdeckt, waren die einzigen, die nicht daran glaubten,
    ausgerechnet zwei Materialisten wie Leukipp und Demo-
    krit.
    Daß die Erde rund ist, wußten die Kartographen
    Macrobius und Martianus Capella. Was die Kirchenväter
    angeht, so hatten sie sich mit dem Bibeltext auseinander-
    zusetzen, der von dieser vermaledeiten Tabernakelform
    spricht, aber Augustinus, der zwar keine gesicherte
    Meinung zu diesem Thema hatte, aber die der Alten kan-
    nte, räumte ein, daß die Heilige Schrift in Metaphern
    sprach. Seine Position war eher eine andere, die er mit den
    meisten Kirchenvätern teilte: Da das Wissen um die Form
    der Erde nichts zur Rettung der Seele beiträgt, war es für
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    ihn von geringem Interesse. Isidor von Sevilla (der
    gleichfalls kein Muster an wissenschaftlicher Akribie war)
    hat einmal die Länge des Äquators mit achtzigtausend
    Stadien berechnet. Konnte er dabei tatsächlich gedacht
    haben, daß die Erde eine flache Scheibe sei?
    Auch ein Schüler der ersten Gymnasialklasse kann leicht
    folgern, daß Dante, wenn er in den Trichter der Hölle
    hinabsteigt und auf der anderen Seite zu Füßen des
    Läuterungsberges herauskommt, wo er unbekannte Sterne
    am Himmel sieht, sehr genau gewußt haben muß, daß die
    Erde rund ist. Aber lassen wir Dante beiseite, ihm trauen
    wir ohnehin alles zu. Tatsache ist, daß derselben Ansicht
    auch Origenes und Ambrosius waren, und zur Zeit der
    Scholastik dachten und sprachen von einer kugelförmigen
    Erde Albertus Magnus und Thomas von Aquin, Roger
    Bacon, Johannes von Sacrobosco, Peter von Ailly, Ägidius
    von Rom, Nikolaus von Oresme und Jean Buridan, um nur
    einige zu nennen.
    Worum ging dann der Streit zur Zeit von Kolumbus?
    Ganz einfach, die Gelehrten von Salamanca hatten
    genauere Berechnungen als er angestellt und waren der
    Meinung, daß die Erde (die

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