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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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kakophonisch verurteilt hätte, erzeugen nun eine neue
    Musik, und der angelsächsische Bischof Aldhelm von
    Malmesbury ergötzt sich an der Konstruktion von Sätzen,
    in denen möglichst jedes Wort mit demselben Buchstaben
    anfängt ( Brief an König Aldfrid von Northumbrien , PL 89, 91): Primitus pantorum procerum praetorumque pio
    potissimum paternoque praesertim privilegio panegyricum
    poemataque passim prosaton sub polo promulgantes …
    Der hisperische Wortschatz bereichert sich mit
    unglaublichen Kreuzungen aus hebräischen und
    hellenistischen Ausdrücken, der Text verdickt sich mit
    Kryptogrammen und Rätseln, die jedem Bemühen um
    Übersetzung hohnsprechen. Hatte die klassische Ästhetik
    als ihr Ideal die Klarheit, so wird das Ideal der
    hisperischen Ästhetik nun die Dunkelheit. Strebte der
    klassische Stil nach ausgewogenen Proportionen, so
    bevorzugt der hisperische Stil nun die Komplexität, den
    Überfluß an Epitheta und Paraphrasen, das Gigantische,
    Monströse, Unbändige, Maßlose und Wunderbare. Die
    Suche nach ausgefallenen Etymologien führt zu einer
    Zerlegung der Wörter in Atome, die ihrerseits rätselhafte
    Bedeutungen annehmen.
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    Die hisperische Ästhetik ist der Stil eines Europa, das
    seine »dunklen Jahrhunderte« durchmacht – jene Dark
    ages , in denen der alte Kontinent eine Abnahme der
    Bevölkerung, eine schwere Krise der Landwirtschaft, die
    Zerstörung der großen Städte und den Verfall der
    römischen Straßen und Aquädukte erleidet. Auf einem von
    Wäldern bedeckten Kontinent sehen auch die Mönche, die
    Dichter und Miniaturenmaler die Welt als einen dunklen
    Wald, der von Monstern bewohnt und von labyrinthischen
    Pfaden durchzogen wird. In diesen wirren und schwierigen
    Zeiten sind es die Britischen Inseln und zumal Irland, von
    wo aus die lateinische Kultur auf den Kontinent zurück-
    kehrt. Doch jene irischen Mönche, die das wenige an
    klassischer Tradition, was sie retten konnten, für uns
    aufbewahren und entwickeln, bewegen sich in der Welt
    der Sprache und der bildlichen Phantasie wie eben durch
    einen dichten Wald – oder wie Sankt Brendan, als er die
    Meere befuhr und auf Ungeheuer und fremde Länder
    stieß, auf den gigantischen Fisch Ieson, an dem er anlegen
    ließ im Glauben, es sei eine Insel, auf die Insel der weißen
    Vögel (die sich als Verkörperungen der mit Lucifer
    gefallenen Seelen erwiesen), auf wundersame Fontänen
    und Bäume des Paradieses, auf eine kristallene Säule
    mitten im Meer und auf Judas, der an eine Klippe gefesselt
    von den Brandungswellen gemartert wird.
    Zwischen dem siebten und neunten Jahrhundert,
    vielleicht in Irland, sicher jedoch auf den Britischen
    Inseln, entsteht jenes Buch der verschiedenartigen
    Monster , das viele der Bilder zu beschreiben scheint, die wir im Book of Kells wiederfinden. Der anonyme Autor
    gesteht dem Auftraggeber auf den ersten Seiten, er hätte,
    obwohl diese Lügenmärchen schon in so vielen
    angesehenen Büchern erzählt worden seien, nie daran
    gedacht, sie abermals aufzutischen, »wäre nicht der
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    stürmische Wind deiner Nachfrage aufgekommen, um
    mich kopfüber, als einen verängstigten Seemann, in ein
    Meer von Monstern zu stürzen … Denn zahllos sind
    gewiß die Arten von Seeungeheuern mit Riesenleibern
    gleich hohen Bergen, die mit ihren Brüsten die größten
    Wellen zerteilen und die Weiten der Meere fast bis zum
    Grunde aufwühlen, während sie zu den sanften
    Flußmündungen streben, und beim Schwimmen sprühen
    sie Gischt und Schaum mit großem Getöse
    … Und
    während sie mit wilden Strudeln die von der großen Masse
    ihrer Leiber schon aufgewühlten Wasser umwälzen,
    nähern sie sich dem Ufer und bieten den Zuschauern ein
    furchterregendes Schauspiel.«6
    Der Autor fürchtet zwar, Lügenmärchen zu erzählen,
    aber er kann der abgründigen Sc hönheit dieser faszi-
    nierenden Lügen nicht widerstehen, da sie ihm erlauben,
    eine unendliche Geschichte auszuspinnen, so endlos und
    vielfältig wie ein Labyrinth. Er erzählt seine Geschichte
    mit der gleichen Fabulierlust, mit der die Vita S. Colum-
    bani das Meer rings um die Insel Hibernia beschreibt, oder mit der die Hisperica Famina (ein Werk, das er sicher
    kannte) zur Charakterisierung der Brandungswellen
    Adjektive wie astriferus oder glaucicomus erfindet – und die hisperische Ästhetik liebte auch Neologismen wie
    pectoreus , placoreus , sonoreus , alboreus , propriferus , flammiger , gaudifluus …
    Es sind die

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