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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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unserer Sprachen, die
    natürliche Unvollkommenheit unserer Idiome nicht die
    Krankheit nach Babel darstellt, von der die Menschheit
    genesen muß, sondern die einzigartige Chance und
    Gelegenheit, die Gott dem Adam als sprechendem Tier
    gegeben hatte. Das Wesen der menschlichen Sprachen zu
    verstehen, die zwar unvollkommen sind, aber zugleich
    imstande, jene höchste Unvollkommenheit zu verwirk-
    lichen, die wir Poesie nennen, stellt die einzige Schluß-
    folgerung jeder Suche nach Vollkommenheit dar. Babel
    war kein Unfall gewesen, wir leben seit jeher im Innern
    des Turms, der erste Dialog zwischen Gott und Adam ist
    vielleicht auf Finneganesisch geführt worden, und nur 132
    indem wir nach Babel zurückkehren und unsere einzige
    Möglichkeit akzeptieren, können wir unseren Frieden
    finden und dem Schicksal der menschlichen Gattung ins
    Auge sehen.
    Angefangen hat diese ganze Geschichte in Dublin, als
    ein kleiner Junge sich von den Bildern im Book of Kells
    hat fesseln lassen, und vielleicht von denen der Bücher
    von Durrow , von Lindisfarne , von Dun Cow …
    »Once upon the time there was a Dun Cow coming
    down along the maze and this Dun Cow that was coming
    down along the maze met a nicens little boy named baby
    Jim the bachelor …«
    133
    Zwischen La Mancha und Babel1
    Es kommt mir sehr gelegen, in meiner Danksagung an die
    hiesige Universität für die mir verliehene Ehre, daß diese
    Veranstaltung gerade hier in der Mancha und während der
    Tage stattfindet, in denen wir Jorge Luis Borges feiern.2
    Denn es gab und gibt vielleicht immer noch in dieser
    Gegend an einem Ort, dessen Namen man uns nicht hat
    nennen wollen, eine Bibliothek. Diese Bibliothek, die
    lediglich eine große Zahl von Ritterromanen enthielt, war
    eine Bibliothek, die man verlassen kann . Tatsächlich
    beginnt ja die Geschichte des göttlichen Don Quijote
    genau in dem Moment, da er beschließt, den Ort seiner
    Phantastereien über Büchern zu verlassen, um sich ins
    Leben hinauszuwagen. Das tut er jedoch, weil er im
    Grunde überzeugt ist, in jenen Büchern die Wahrheit
    gefunden zu haben, so daß es genügen würde, sie
    nachzuahmen und die darin geschilderten großen Taten zu
    reproduzieren.
    Dreihundertfünfzig Jahre später erzählt uns Borges die
    Geschichte einer Bibliothek, die man nicht verlassen kann
    und in der die Suche nach dem wahren Wort ohne Ende
    und hoffnungslos ist.

    1 Vortrag am 22. Mai 1997 in der Universität von Kastilien-La Mancha anläßlich der Verleihung einer Ehrendoktorwürde.
    2 Zur selben Zeit fand in der Universität von Kastilien-La Mancha ein mehrtägiger Kongreß über »Literarische Beziehungen
    zwischen Jorge Luis Borges und Umberto Eco« statt, vgl. dazu den folgenden Aufsatz.
    134
    Zwischen diesen beiden Bibliotheken gibt es eine tiefe
    Entsprechung: Don Quijote versucht, in der Welt draußen
    Taten, Abenteuer und edle Damen zu finden, die seine
    Bibliothek ihm versprochen hat; folglich will und glaubt
    er, das Universum sei wie seine Bibliothek. Borges,
    weniger idealistisch, beschließt, daß seine Bibliothek wie
    das Universum sein soll, und darum sieht er keine
    Notwendigkeit, sie zu verlassen. Wie man nicht sagen
    kann: »Haltet die Welt an, ich will aussteigen«, so kann
    man auch nicht aus seiner Bibliothek hinaus.
    Es gibt viele Geschichten von Bibliotheken. Es gibt
    verlorene Bibliotheken wie die von Alexandria, und es
    gibt Bibliotheken, die man, kaum eingetreten, gleich
    wieder verläßt, weil man feststellt, daß sie nur lauter
    absurde Geschichten und Ideen enthalten. So etwa die
    Bibliothek von Saint-Victor, in der Pantagruel, einige
    Jahrzehnte vor Don Quijotes Geburt, sich an den
    zahlreichen Büchern ergötzt, die ihm die Weisheit der
    Jahrhunderte versprechen, die er jedoch, soweit wir
    wissen, rasch wieder verläßt, um sich anderen Dingen
    zuzuwenden. So daß uns nur die Neugier und das
    Verlangen geblieben ist, zu wissen, wovon jene Bücher
    handeln mochten, und das Vergnügen, ihre Titel wie eine
    Liturgie zu rezitieren: Bragueta juris, De babuinis et
    scimiis cum commento Dorbellis, Ars boneste petandi in
    societate, Formicarium Artium, De modo cacandi, De
    differentiis supparum, De optimitate triparum, Quaestio
    subtilissima. utrum chimera in vacno bombinans possit
    comedere secundas intentiones, De baloccamentis
    principium, Baloccatorium Sorboniformium, Campi
    clysteriorum, Antidotarium animae, De patria
    diabolorum …
    Aus der Bibliothek von Rabelais wie aus der

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