Die Bücher und das Paradies
spricht, war
kein Flickenteppich aus anderen Sprachen, sondern ein
ganz neues Gebilde, erzeugt durch Kombination der
zweiundzwanzig ursprünglichen Buchstaben (der elemen-
taren Segmente) des göttlichen Alphabets.
Im Gegensatz dazu hatten die irischen Grammatiker
nicht beschlossen zurückzugehen, um nach der Sprache
Adams zu suchen, sondern sich lieber eine neue
vollkommene Sprache zu konstruieren, eben ihr Gälisch.
Kannte Joyce diese frühmittelalterlichen Grammatiker?
In seinem Werk habe ich keine Bezugnahme auf das
Auraicept gefunden, aber stutzig gemacht hat mich ein Umstand, den Ellmann mitteilt, nämlich daß der junge
Joyce am 11. Oktober 1901, auf einem Treffen der Student
Debating Society, zu dem Vortrag von John F. Taylor
gegangen war, bei dem nicht nur die Schönheit und
Perfektion des Irischen gefeiert, sondern auch eine
Parallele gezogen wurde zwischen dem Recht des irischen
Volkes auf den Gebrauch seiner eigenen Sprache und dem
Recht des Moses und der Hebräer auf den Gebrauch des
Hebräischen als der Sprache der Offenbarung, entgegen
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dem Ägyptischen als einer aufgezwungenen Sprache.
Bekanntlich ist Taylors Idee ausgiebig im Aeolus-Kapitel
des Ulysses benutzt worden, das von der Parallele
zwischen Hebräisch und Irisch beherrscht wird, und diese
stellt eine Art sprachliches Komplement zur Parallele
zwischen Bloom und Stephen dar.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen Zweifel zu
äußern. In Finnegans Wake gibt es (S. 356) das Wort
taylorised , das Atherton als Bezugnahme auf den
Neuplatoniker Thomas Taylor interpretiert.3 Mir würde es
jedoch gefallen, darin eine Anspielung auf John F. Taylor
sehen zu können. Ich habe keinen Beweis dafür, aber es
scheint mir interessant, daß es in einem Kontext steht
(F.
W., S.
353
ff.), in dem Joyce zunächst von der
abnihilisation of the etym spricht, dann Ausdrücke wie vociferagitant ,
viceversounding und alldconfusalem
benutzt und schließlich mit den Worten endet how comes
every a body in our taylorised world to selve out thishis , mit einer Bezugnahme auf das primeum nobilees und das Wort notomise . Es ist durchaus wahrscheinlich, daß die Idee, Sprachen zu erfinden, indem man die Wurzeln der
Wörter anatomisiert und zerschneidet, von jenem alten
Vortrag Taylors inspiriert worden ist, womöglich auch von
einer indirekten Kenntnis des Auraicept . Aber da es dafür keinerlei Textbeleg gibt, kann ich meine Idee hier nur als
interessante Hypothese oder einfach als ein persönliches
Divertimento vortragen.
Es gibt keine Beweise für eine eventuelle Vertrautheit
des jungen Joyce mit den mittelalterlich-irischen Tradi-
tionen. In seinem Vortrag Irland, Insel der Heiligen und
3 J.
S.
Atherton,
The Books at the Wake , London, Faber, 1959; New
York, Viking Press, 1960.
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der Weisen , den er 1907 in Triest hielt, hat er auf dem Alter der irischen Sprache insistiert und es mit dem der
phönizischen gleichgesetzt. Joyce war kein unfehlbarer
Historiker, und in diesem Vortrag verwechselt er, als
handle es sich um ein und dieselbe Person, Johannes
Scotus Eriugena (der mit Sicherheit ein Ire des
11. Jahrhunderts war) mit Johannes Duns Scotus (der zwei
Jahrhunderte später in Edinburg geboren wurde, auch
wenn damals viele überzeugt waren, daß er ein Ire sei);
zudem glaubte er, daß der Autor des Corpus Dionysianum , den er den Pseudo-Areopagita Dionysius nannte, der
heilige Dionysius sei, also der Schutzpatron Frankreichs,
Saint-Denis – während der Dionysius des Corpus in der mittelalterlichen Tradition mit jenem Dionysius
Areopagita gleichgesetzt wurde, der zur Zeit des Apostels
Paulus gelebt hatte –, und da auch diese Zuschreibung
falsch war und man nicht einmal weiß, ob Dionysius
wirklich ein Dionysius war, ist der wahre Autor des
Corpus in jedem Fall ein Pseudo-Dionysius Areopagita und nicht ein Pseudo-Areopagita Dionysius. Doch am
University College hatte Joyce nur Latein, Französisch,
Englisch, Mathematik, Naturphilosophie und Logik
studiert, nicht Philosophie des Mittelalters. Auf jeden Fall
aber sind die Analogien zwischen den Behauptungen der
irischen Grammatiker und der Suche nach einer
vollkommenen poetischen Sprache bei Joyce so über-
raschend, daß es sich lohnt, nach weiteren Assoziationen
zu suchen.
Immer im Blick auf sein Ziel, sich eine poetische
Sprache zu erfinden, kannte Joyce, auch wenn er nur
ungenaue Vorstellungen von den altirischen
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