Die Bücher und das Paradies
Etyms zer-
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splittert – nicht zufällig klingen die Wörter Etym und
Atom so ähnlich, weshalb Joyce von seinem Werk als
einer abnihilation of the etym gesprochen hat.
Borges dagegen hat, wie es scheint, die Sprache nicht in
die Krise gestürzt. Man denke nur an die klare Prosa
seiner Essays, an die grammatikalisch traditionelle Struk-
tur seiner Erzählungen, an den entspannten und
verständlichen Gesprächston seiner Gedichte. In diesem
Sinne ist Borges von Joyce so weit entfernt, wie man nur
sein kann.
Natürlich erneuert und belebt Borges die Sprache, in der
er schreibt, wie es jeder gute Schriftsteller tut, aber er
macht sie nicht zum Schauplatz eines jeu de massacre .
Wenn der experimentelle Umgang mit Sprache bei Joyce
als revolutionär anzusehen ist, dann müßte Borges als
konservativ eingestuft werden, als deliranter Archivar
einer Kultur, zu deren respektvollem Hüter er sich erklärt.
Als deliranter, sage ich, aber konservativer Archivar. Und
doch ist es gerade dieses Oxymoron (»deliranter Archi-
var«), das uns den Schlüssel zur Erkenntnis des
Experimentellen bei Borges liefert.
Joyces Projekt bestand darin, die universale Kultur als
Experimentierfeld zu nehmen. Nun, und ebendies war
auch das Projekt von Borges. Wenn Borges 1925 einige
Schwierigkeiten beim Lesen des Ulysses bekundete (in dem frühen Band Inquisiciones )und 1939 mit skeptischer Neugier auf die Joyceschen Kalauer herabsah (in der
Novembernummer von Sur – doch nach Auskunft von
Emil Rodriguez Monegal prägte er selbst in jenen Jahren
zumindest einen von exquisit Joyceanischem Geist:
whateverano = » what a summer «und » whatever is summer «), so spricht er Joyce doch in mindestens zwei
späteren Gedichten ( Elogio de la sombra )seine Bewunderung und seinen Dank aus:
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Que importa mi perdida generación
ese vago espejo
si tus libros la justifican.
Yo soy los otros. Yo soy de todos aquellos
que ha rescatado tu obstinado rigor.
Soy los que no conosces y los que salvas.
Was liegt an meiner verlorenen Generation,
diesem vagen Spiegel,
wenn deine Bücher sie rechtfertigen.
Ich bin die anderen. Ich bin all jene,
die deine hartnäckige Strenge freigekauft.
Ich bin die, die du nicht kennst, und die, die du rettest.4
Was verbindet also nun diese beiden Autoren, die beide,
um sich zu retten und sich zu verlieren, die universale
Kultur als Experimentierfeld gewählt haben?
Ich denke, man kann sagen, experimentelle Literatur
arbeitet an dem, worin wir alle leben, nämlich den
Sprachen. Doch wie die Linguisten wissen, hat eine
Sprache immer zwei Seiten. Zum einen den Signifikanten,
zum anderen das Signifikat.5 Der Signifikant arrangiert
Laute, das Signifikat arrangiert Ideen. Dabei ist jedoch das
Arrangement der Ideen, das die Form einer gegebenen
Kultur konstituiert, nicht unabhängig von der Sprache,
denn wir kennen es nur durch die Art und Weise, in
welcher die Sprache die noch ungeformten Daten unseres
Kontakts mit dem Kontinuum der Welt arrangiert hat.
Ohne Sprache gäbe es keine Ideen, sondern lediglich
4 Deutsch von Curt Meyer-Clason, Lob des Schattens , Ges. Werke Bd. 2, Gedichte 1969 – 1976, Hanser 1980, S. 44 (A. d. Ü.).
5 Von Eco andernorts auch »Ausdruck und Inhalt« genannt, z. B.
Semiotik und Philosophie der Sprache , München, Fink, 1985, S. 193 (A. d. Ü.).
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puren Fluß nicht gemachter und nicht bedachter
Erfahrung.
Experimentelle Arbeit an der Sprache und der von ihr
transportierten Kultur kann daher Arbeit an zwei Fronten
heißen: an der des Signifikanten, indem man mit den
Wörtern spielt (und durch Zerstörung und Neuordnung der
Wörter die Ideen sich neu ordnen läßt), und an der des
Signifikats, indem man mit den Ideen spielt und so die
Wörter dazu bringt, sich neue Bedeutungen und nie
gedachte Horizonte zu erschließen.
Joyce hat mit den Wörtern gespielt, Borges mit den
Ideen. Und hier zeichnen sich zwei verschiedene Konzep-
tionen der unendlichen Zerlegbarkeit des Operations-
gegenstandes ab.
Die kleinsten Elemente der Sprache sind die Wurzeln,
Silben und Phoneme. Neu kombinieren lassen sich
äußerstenfalls Laute, und dann hat man den Neologismus
oder das Wortspiel, oder Buchstaben, und dann hat man
das Anagramm, ein kabbalistisches Verfahren, um dessen
Magie Borges wußte.
Das kleinste Element der Ideen oder der Signifikate ist
dagegen immer selbst wieder eine Idee oder ein anderes
Signifikat. Man kann das Signifikat
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