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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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unzähligen
    alternativen Welten gehört, schreiben die Engel unzählige
    Tageschroniken, in denen sich Sätze mischen, die in einer
    Welt wahr und in einer anderen falsch sind. Wenn wir nun
    bedenken, daß manche Engel auch ungeschickt sind und
    Sätze mischen, die ein einzelnes Maximalwerk als zu-
    einander widersprüchlich aufführt, so haben wir am Ende
    eine Reihe von Kompendien, Miszellaneen, Kompendien
    von Fragmenten von Miszellaneen, die Schichten von
    Büchern verschiedenen Ursprungs amalgamieren, und an
    diesem Punkt ist es kaum noch möglich zu sagen, welche
    Bücher wahr und welche falsch sind und in bezug auf
    welches ursprüngliche Buch. Wir haben dann eine
    astronomische Unzahl von Büchern, deren jedes sich
    zwischen mehreren Welten bewegt, und man wird immer
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    öfter Geschichten als falsch ansehen, die andere als wahr
    betrachtet haben.
    Pavel hat diese Dinge geschrieben, um uns vor Augen zu
    führen, daß wir bereits in einem Universum dieser Art
    leben, nur sind bei uns die Bücher nicht von Engeln
    geschrieben, sondern von uns Menschen, von Homer bis
    Borges; und er gibt zu verstehen, daß die hybride
    Ontologie der Fiktion keine Ausnahme ist gegenüber der
    »reinen« Ontologie jener Bücher, die von der wirklichen
    Welt handeln. Im Gegenteil, die Legende, die er erzählt,
    schildert recht gut unsere Situation angesichts des
    Universums der Sätze, die wir als »wahr« zu akzeptieren
    gewohnt sind. So daß der Schauder, mit dem wir die
    zwiespältigen Grenzen zwischen Fiktion und Realität
    wahrnehmen, nicht nur dem gleicht, der uns angesichts
    von Büchern aus der Feder von Engeln erfaßt, sondern
    auch dem, der uns angesichts jener vielen Bücher erfassen
    sollte, die mit dem Gestus der unanfechtbaren Autorität
    die wirkliche Welt darstellen.
    Die Idee der Bibliothek von Babel hat sich inzwischen
    vermählt mit der ebenso schwindelerregenden Vorstellung
    von der Pluralität der möglichen Welten, und die
    Borgessche Phantasie inspiriert heute bereits die formalen
    Berechnungen der Logiker. Doch damit nicht genug – die
    von Pavel beschriebene Bibliothek, zu der naturgemäß
    auch die Werke von Borges gehören, einschließlich seiner
    Erzählung über die Bibliothek von Babel, ähnelt auf
    seltsame Weise der Bibliothek des Don Quijote, war diese
    doch eine Bibliothek voll unmöglicher Geschichten, die
    sich in möglichen Welten abspielen, so daß der Leser den
    Sinn für die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verlor.
    Es gibt noch eine andere Geschichte, die, ebenfalls von
    einem Künstler erfunden, die Phantasie der Wissen-
    schaftler, wenn nicht der Logiker, so doch der Physiker
    141
    und Kosmologen angeregt hat, nämlich Finnegans Wake .
    Joyce hat keine mögliche Bibliothek erdacht: Er hat das,
    was Borges später nahelegen sollte, praktiziert. Er hat die
    26 alphabetischen Zeichen des Englischen benutzt, um
    einen Dschungel nicht existierender Wörter mit viel-
    fältigen Bedeutungen zu erzeugen, er hat sein Buch gewiß
    als Modell des Universums angelegt, und er war ganz
    sicher der Meinung, daß seine Lektüre unendlich und
    periodisch sein solle – wünschte er sich doch für sein
    Werk einen ideal reader affected by an ideal insomnia.
    Warum zitiere ich hier Joyce? Vielleicht und vor allem
    deshalb, weil er, neben Borges, der andere der beiden
    modernen Autoren gewesen ist, die ich am meisten geliebt
    habe und von denen ich am stärksten beeinflußt worden
    bin. Aber auch, weil nun der Moment gekommen ist, uns
    über Parallelen und Unterschiede zwischen diesen beiden
    Autoren zu befragen, die beide die Sprache und die
    universale Kultur zu ihrem Experimentierfeld gemacht
    haben.
    Ich würde Borges zur experimentellen Literatur der
    Moderne rechnen, die nach Meinung vieler dann beginnt,
    wenn die Literatur ihre eigene Sprache oder auch die
    gewöhnliche Sprache in Frage stellt, sie auseinandernimmt
    und bis zu ihren tiefsten Wurzeln bloßlegt. Deshalb denkt
    man bei experimenteller Literatur der Moderne immer
    sofort an Joyce, und zwar an den Joyce von Finnegans
    Wake , in dem nicht nur das Englische, sondern die
    Sprachen aller Völker, reduziert zu einem Durcheinander-
    wirbeln freischwebender Fragmente, neu zusammen-
    gesetzt und erneut auseinandergenommen werden in
    einem Strudel neugebildeter lexikalischer Monstren, die
    sich für einen Augenblick zusammenballen, um sich dann
    wieder aufzulösen, wie in einem kosmischen Ballett von
    Atomen, bei dem die Schrift bis zu den

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