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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ich hier vielleicht glauben lassen, daß intertextuelle Ironie etwas sei, was von der Intention des Autors abhängt, doch ich habe in meinen theoretischen Schriften zu oft den Vorrang der Werkintention vor der des Autors betont, um mir eine solche Naivität zu erlauben. Wenn im Text ein mögliches Zitat auftaucht, und dieses Zitat sich nahtlos in den übrigen Text (mitsamt seinen anderen Zitaten) einzufügen scheint, sind die Absichten des empirischen Autors kaum von Belang. Wir tun also gut daran, hier von Zitatismus und »textlichen
    Echos« zu sprechen (ich beziehe mich auf einen Ausdruck von Linda Hutcheon, nicht auf meinen Nachnamen), die das Werk nahelegt.
    Dies deswegen, weil es beim Spiel mit intertextueller Ironie schwer ist, der Faszination des Herstellens von Verbindungen zu widerstehen, auch wenn manche von ihnen ganz zufällig sind, wie der Verweis auf die Uhren bei Jules Verne. So findet Linda Hutcheon auf S. 378 der amerikanischen Ausgabe des Foucaultschen Pendels die Worte: »The Rule is simple: Suspect, only suspect«, und entdeckt darin einen intertextuellen Verweis auf ein »Connect, only connect« bei E. M. Forster. Klug, wie sie ist, weist sie darauf hin, daß dieses »ironic play« sich nur im Englischen einstellt, und tatsächlich enthält der italienische Text diesen intertextuellen Verweis nicht, denn er lautet: »sospettare, sospettare sempre«. 7 Die Bezugnahme ist, sicher mit voller Absicht, vom Übersetzer William Weaver eingefügt worden. Dagegen ist nichts zu sagen, der englische Text enthält die Bezugnahme - was zeigt, daß die Übersetzung das Spiel der intertextuellen Ironie nicht nur verderben, sondern auch bereichern kann.
    In anderen Fällen ergeben sich Möglichkeiten der Wahl zwischen Lektüre hoch zwei oder hoch drei. Auf einer Seite im 30. Kapitel des Pendels, wo die Protagonisten sich vorstellen, daß auch die ganze Geschichte, die in den Evangelien erzählt wird, Ergebnis einer bloßen Erfindung sein könnte, so wie die des Großen Plans, den sie zusammenbasteln, kommentiert Casaubon: Toi, apocryphe lecteur, mon semblable, mon frère 1 Ich erinnere mich nicht mehr, woran ich beim Schreiben dachte, wahrscheinlich genügte mir die intertextuelle Beziehung zu Baudelaire, die schon durch den Verweis auf die apokryphen Evangelien angereichert war. Linda Hutcheon definiert nun jedoch die Stelle als eine »parody of Baudelaire by Eliot« (tatsächlich zitiert T. S. Eliot, wenn Sie sich erinnern, diesen Vers in The Waste Land), und sicher wird die Anspielung damit noch reichhaltiger. Was machen wir also? Teilen wir die Leser auf in solche, die nur bis zu Baudelaire gelangen, und solche, die bis zu Eliot vordringen? Und was ist, wenn es einen Leser gäbe, der zwar den heuchlerischen Leser bei Eliot gefunden hat, aber nicht weiß, daß Eliot hier Baudelaire zitiert?
    Alle haben bemerkt, daß der Name der Rose mit einem Zitat des Johannesevangeliums beginnt (»Im Anfang war das Wort« usw.). Aber wie viele haben bemerkt, daß dieser Anfang auch als ein Zitat des Anfangs von Luigi Pulcis Ritterepos Il Morgante Maggiore 8 gelesen werden kann, das mit einer respektvollen Verbeugung vor dem Evangelisten Johannes beginnt (In principio era il verbo appresso a Dio / ed era Iddio il verbo e U verbo lui. / Quest’era nel principio a parer mio / e nulla sipuö far sanza costui)?
    Doch genau bedacht, wie viele Leser haben wirklich bemerkt, daß mein Roman mit einem Zitat des Johannesevangeliums beginnt? Ich habe japanische Leser gefunden (und vielleicht braucht man gar nicht so weit in die Ferne zu gehen), die jene tiefen Gedanken dem guten Adson zugeschrieben haben, und trotzdem ist ihnen nicht die religiöse Inspiration entgangen, die aus den Worten des alten Mönches spricht.
    Der Grund ist, um genau zu sein, daß intertextuelle Ironie, technisch gesehen, keine Form von Ironie ist. Ironie besteht dann, nicht das Gegenteil der Wahrheit zu sagen, sondern das Gegenteil dessen, wovon man annimmt, daß der Gesprächspartner es für wahr hält. Es ist Ironie, eine dumme Person als hochintelligent zu definieren, aber nur, wenn der Adressat weiß, daß sie dumm ist. Weiß er es nicht, wird die Ironie nicht erkannt, und man liefert ihm nur eine falsche Information. Infolgedessen wird Ironie, wenn der Adressat sich des Spiels nicht bewußt ist, zur bloßen Lüge.
    Was dagegen die intertextuelle Ironie angeht, so kann ich die Geschichte eines Doppelgängers erzählen, ohne daß der Adressat die

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