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Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Titel: Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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fühlte.
    Wiederum ignorierte der Abbé seine Frage. «Seht Euch die Vorderseite der Kiste an.»
    Der Graf drehte die Kiste, bis das Kerzenlicht auf die Vorderseite fiel. Dort waren Worte aufgemalt gewesen. Sie waren verblasst, und einige Buchstaben fehlten mittlerweile ganz, doch die Worte waren eindeutig. Eindeutig und wundersam. Calix Meus Inebrians. Der Graf starrte sie an, und bei dem Gedanken an das, was sie andeuteten, wurde ihm schwindlig, so schwindlig, dass er keinen Laut hervorbrachte.
    «Die Kiste war leer, als man sie fand», sagte Planchard. «Jedenfalls hat Abbé Loix es mir so berichtet, Gott schenke seiner Seele Frieden. Es heißt, die Kiste habe in einem Schrein aus Gold und Silber gelegen, der auf dem Altar der Burgkapelle stand. Der Schrein ist sicher nach Berat gebracht worden, aber diese Kiste wurde dem Kloster überlassen. Vermutlich weil man sie für wertlos hielt.»
    Der Graf öffnete die Kiste erneut, um daran zu schnuppern, doch seine Nase war vollkommen verstopft. Zwischen den Gebeinen in der Krypta liefen Ratten umher, doch er nahm das Getrappel gar nicht wahr, nahm überhaupt nichts wahr außer der Kiste und dem, was sie bedeutete: der Gral, ein Erbe, alles. Allerdings, dachte er, war die Kiste eigentlich zu klein für den Gral. Oder doch nicht? Wer wusste schon, wie der Gral aussah?
    Der Abbé streckte die Hand nach der Kiste aus, um sie in die Truhe zurückzulegen, doch der Graf umklammerte sie. «Die Kiste war leer», sagte der Abbé streng. «In Astarac wurde nichts gefunden. Aus diesem Grund habe ich Euch hierhergeführt, damit Ihr Euch selbst davon überzeugen könnt. Man hat nichts gefunden.»
    «Man hat das hier gefunden!», widersprach der Graf. «Und das beweist, dass der Gral hier war.»
    «Glaubt Ihr wirklich?», fragte der Abbé traurig.
    Der Graf deutete auf die verblasste Schrift an der Vorderseite der Kiste. «Was sollte das sonst bedeuten?»
    «Es gibt einen Gral in Genua», sagte Planchard, «und die Benediktiner in Lyon behaupten, dass der Gral einst in ihrem Besitz gewesen sei. Weiterhin heißt es – walte Gott, dass es nicht stimmt –, der Gral befinde sich in der Schatzkammer des Kaisers in Konstantinopel. Dann gab es noch einen in Rom und einen in Palermo, obgleich Letzterer, wenn ich mich recht entsinne, ein Sarazenengefäß war, das auf einem venezianischen Schiff erbeutet wurde. Manche sagen, die Erzengel seien zur Erde hinabgestiegen und hätten ihn in den Himmel geholt, andere vertreten die Ansicht, er sei noch immer in Jerusalem, beschützt von dem Flammenschwert, das einst über das Paradies wachte. Der Gral wurde in Cordoba gesichtet, in Nîmes, in Verona und in zahlreichen anderen Orten. Die Venezianer behaupten, er befände sich auf einer Insel, die nur denjenigen erscheint, die reinen Herzens sind, und wieder andere beharren darauf, er sei in Schottland. Ich könnte ein ganzes Buch mit Geschichten über den Gral füllen.»
    «Er war hier», beharrte der Graf störrisch. «Er war hier, und vielleicht ist er noch immer hier.»
    «Nichts wäre mir lieber», sagte Planchard, «doch wie können wir hoffen, dort Erfolg zu haben, wo selbst Parsifal und Gawain scheiterten?»
    «Es ist eine Botschaft von Gott», behauptete der Graf unbeirrt, die Kiste fest an die Brust gedrückt.
    «Ich glaube eher, es ist eine Botschaft der Vexilles», sagte der Abbé mit Bedacht. «Ich vermute, sie haben die Kiste angefertigt und bemalt und sie hier zurückgelassen, um uns an der Nase herumzuführen. Sie sind geflohen und wollten uns glauben machen, sie hätten den Gral mitgenommen. Ich glaube, diese Kiste ist ihre Rache. Ich würde sie verbrennen.»
    Der Graf weigerte sich, die Kiste wieder herzugeben. «Der Gral war hier», wiederholte er.
    Der Abbé gab auf, klappte den Deckel zu und verschloss die Truhe. «Wir sind ein kleines Haus», sagte er, «aber wir sind nicht völlig von der großen Kirche abgetrennt. Ich bekomme Briefe von meinen Brüdern, und ich höre Dinge.»
    «Zum Beispiel?»
    «Kardinal Bessières ist auf der Suche nach einer bedeutenden Reliquie.»
    «Und er sucht hier!», sagte der Graf triumphierend. «Er hat einen Mönch entsandt, um meine Archive durchzusehen.»
    «Wenn Bessières im Dienste Gottes etwas sucht», warnte Planchard, «könnt Ihr sicher sein, dass er vor nichts haltmacht.»
    Der Graf ließ sich nicht beirren. «Ich habe eine Aufgabe bekommen», verkündete er.
    Planchard griff nach der Laterne. «Ich kann Euch nichts weiter dazu sagen,

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