Die Chorknaben
verstreut. Stöhnend kringelte sich Wasmeinstdu-Dean über eine umgestürzte Mülltonne. Roscoe Rules spürte, wie er langsam wieder zu Kräften kam, als er sich mühsam aufrappelte. Aus Angst, sie könnten wie reife Tomaten aufplatzen, wenn er sie losließ, hielt er dabei seine Hoden fest in beiden Händen.
Jedenfalls war Roscoe für den Rest des Abends erledigt. Er war damit zufrieden, die Treppe zum Wagen hinunterzuhumpeln und auf die Ankunft der anderen Einheiten zu warten, nachdem sein Partner über Funk Verstärkung angefordert hatte. Roscoe konnte Wasmeinstdu-Dean nicht begleiten, als dieser mit sechzehn anderen Polizisten wieder in das Haus zurückging, um auf der vergeblichen Suche nach den zwei Hilfsarbeitern, die sich aus dem Staub gemacht hatten und vierzehn Tage lang nicht aufgespürt werden konnten, sämtliche Türen einzutreten, die es in dem Wohnblock gab.
»Schlag auch für mich ein paarmal ordentlich zu, Partner«, flüsterte Roscoe, als er langsam auf den Krankenwagen zuschlurfte. Seine glühendheißen, geschwollenen Hoden hielt er dabei nach wie vor vorsichtig in seinen Händen, als trüge er einen schweren Goldbarren oder wertvolle Edelsteine. Und was ihn betraf, stimmte das ja auch. Er dachte in diesem Augenblick, er könnte sie für immer verlieren, und nie war ihm etwas so kostbar erschienen. Er weigerte sich sogar, sein gequältes Fleisch loszulassen, um in den Krankenwagen zu steigen. Statt dessen stand er einfach mit gebeugten Beinen da und wartete, bis ihn zwei Sanitäter vorsichtig ins Innere hoben.
Bevor sie die Tür des Krankenwagens schlossen, rief er seinem übel zugerichteten Partner noch schwach zu: »Gib's ihnen, Dean! Immer noch einen für deinen Partner! Zeig's diesen Dreckskerlen! Und nimm sie richtig in den Schwitzkasten! Diese Hunde sollen sich in ihre eigenen Eier beißen! Und dann heiz ihnen mit dem Knüppel ein! In die Knie mit diesen Schweinen! Punktier ihnen die Nieren! Und die Milz noch dazu! Diese Säcke sollen nur noch zuckend am Boden liegen!«
In dieser Nacht wanderten fünf Personen ins Gefängnis. Die Anklagen waren unterschiedlichster Natur und reichten von Widerstand gegen die Staatsgewalt bis Trunkenheit. Der schwarze Hilfsarbeiter wurde zwei Wochen später aufgegriffen. Nach fünf Gerichtssitzungen wurde er zu zehn Tagen Gefängnis verurteilt, die er aufgrund seiner Arbeit und seiner großen Familie an den Wochenenden verbüßen durfte. Die Strafe des Mexikaners fiel aufgrund seiner Vergangenheit etwas härter aus, aber bis auf fünfzehn Tage Haft wurde schließlich auch ihm alles erlassen.
Beide Männer wurden daraufhin von ihren Familien und Nachbarn für eine Weile wie Helden gefeiert, und der Mexikaner, der sich bereits wegen seiner nachlassenden Potenz Sorgen gemacht hatte, fühlte sich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis plötzlich wieder wie ein junger Hengst. Seine Frau meinte, es wäre nie zuvor so gut mit ihm gewesen.
Nachdem Roscoe Rules sich von seiner Abreibung durch die beiden Hilfsarbeiter erholt hatte, konnte er es kaum erwarten, wieder den Dienst anzutreten und den Bewohnern des Wilshire-Distrikts seine Verletzungen und seine Erniedrigung heimzuzahlen. Nicht, daß er die Wunden selbst als eine Schande betrachtet hätte. Ganz im Gegenteil, Roscoe trug seine Narben ebenso stolz zur Schau wie der Mexikaner die Souvenirs aus den Bandenkriegen seiner Jugend. Roscoe wurmte vielmehr die Tatsache, daß sie im Kampf zwei gegen zwei einen auf den Deckel bekommen hatten. Wenn er deshalb seinen Kollegen die Geschichte erzählte, nahm die Zahl der Angreifer ständig zu, bis selbst Wasmeinstdu-Dean nicht mehr wußte, wie viele Leute eigentlich über sie hergefallen waren. Roscoe konnte sich überhaupt nicht mehr daran erinnern. Irgendwie schien der ganze Vorgang aus seinem Gedächtnis gelöscht, beziehungsweise nur noch verschwommen abrufbar. Das gleiche galt für die qualvollen Tage im Krankenhaus, wo er sich ständig hatte übergeben müssen und wo ihn die, zum Glück unbegründete Angst plagte, seine Männlichkeit könnte für immer kompromittiert sein. Seinem Partner gegenüber gab er zu, daß er sich nicht mehr klar erinnern konnte, was damals eigentlich passiert war, und sprach selbst nach seiner völligen Genesung von diesem Erlebnis nur als von dem Tag, an dem seine Eier explodierten.
Und natürlich wurde Roscoe von nun an noch vorsichtiger. Wenn eine verdächtige Person auch nur so aussah, als könnte sie vielleicht Schwierigkeiten
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