Die Chroniken des Paladins 01. Tharador - Bellem, S: Chroniken des Paladins 1 Tharador
Krieger jemals gesehen hatte.
Die Bäume schienen allesamt uralt und standen felsenfest. Sie strahlten eine solche Kraft aus, dass Tharador vermeinte, sie könnten jeden Augenblick lebendig werden und ihre Wurzeln aus der Erde heben, um sich einen anderen Platz zum Wachsen zu suchen. Aber das war längst nicht alles. Jeder Baum, jede Blume, ja sogar jeder Halm – alles gedieh in vollkommener Harmonie miteinander.
Es war früh am Morgen, und auf den Blättern glitzerten die kleinen Tautropfen in schillernden Regenbogenfarben. Das Gras unter seinen Füßen fühlte sich unbeschreiblich weich an und federte jeden seiner Schritte. Tharador hatte das Gefühl, er könnte hier hundert Meilen am Stück wandern, ohne dass seine Beine eine Rast benötigten, so leicht fiel ihm das Gehen. Er sog die frische Luft ein, und es war, als ob er zum ersten Mal in seinem Leben richtig atmete. Die Luft war rein, so vollkommen rein, dass der kleinste Atemzug seinen Körper belebte und sein Herz höher schlagen ließ. Eine Weile vergaß er all seine Sorgen, schlenderte glücklich umher und genoss die Sonne, die mit ihren wärmenden Strahlen sein wohliges Gefühl noch verstärkte.
Plötzlich vernahm er eine seltsame Musik. Zunächst glaubte er, es handele sich um die Klänge einer Harfe, aber als er genauer hinhörte, bemerkte er, dass es sich nicht um ein Instrument, sondern um Gesang handelte. Er vermochte nicht zu sagen, aus wie vielen Stimmen der Chor bestand, doch die Melodie war wie der Wald, rein und vollkommen. Der Text war in einer Sprache, die er nicht verstand – dennoch formten sich langsam Bilder in seinem Geist, Bilder, die sich mit der Melodie veränderten. Tharador hatte schon viel über die Gesänge der Elfen gehört: Sie seien in der Lage, sich dem Zuhörer verständlich zu machen, egal woher er stamme.
»Eins muss man ihnen lassen, singen können sie!«, dröhnte hinter ihm eine bekannte Stimme.
»Khalldeg! Schön, dich wieder zu sehen!«, rief Tharador voller Freude, als er sich umdrehte und den Zwerg erblickte.
»Endlich bist du wach. Los, pack deine Sachen, damit wir verschwinden können. Diese Elfen sind mir nicht geheuer.«
»Hast du Angst? Sie scheinen freundlich zu sein, und dieser Magier hat uns immerhin gerettet. Ich möchte zuerst noch mit ihm sprechen. Außerdem ist dieser Wald doch wunderschön«, entgegnete der Krieger
»Ich und Angst!«, schnaubte der Zwergenprinz. »Ich traue diesen Spitzohren bloß nicht. Und ich finde einen gut gegrabenen Stollen allemal schöner als diesen wundersamen Haufen Holz und Blätter.«
Tharador lachte herzhaft, gleich darauf stimmte auch Khalldeg mit ein. Queldans Tod schien hier nicht mehr als eine dunkle Erinnerung zu sein. Eine Erinnerung aus längst vergangenen Zeiten.
Die beiden spazierten noch ein wenig durch den Wald, ehe sie sich auf eine Lichtung setzten und der Zwerg ihm von den Geschehnissen der letzten Tage berichtete.
Wenige Stunden später gesellten Gordan und Faeron sich zu ihnen und brachten ihnen etwas zu essen.
»Wie ich sehe, habt ihr es euch schon gemütlich gemacht«, begrüßte sie Gordan freundlich und reichte ihnen einen Brotlaib.
»Wieso habt Ihr Queldan sterben lassen?« Tharadors Frage kam völlig überraschend und ließ Gordan die Stirn runzeln. »Ich meine, wenn Ihr wusstet, wo wir waren, dann hättet Ihr auch früher kommen können, um uns alle zu retten.«
»Leider nein«, seufzte Gordan. »Ich konnte nur dich sehen, Tharador, und nicht, was sonst noch geschah«, versuchte der Magier zu erklären. »Nur deine Lebenskraft konnte ich spüren. Der Tod deines Freundes tut mir sehr Leid, aber ich hätte ihn nicht verhindern können. Xandor ist stark, stärker, als du ihn in den Minen erlebt hast. Wir hatten pures Glück und die Überraschung auf unserer Seite.«
»Ihr kennt ihn?«, fragte Khalldeg erstaunt.
»Natürlich, junger Zwergenprinz. Ich war sein Lehrmeister. Ich brachte ihm vieles bei, bis er sich entschied, den Weg der schwarzen Magie zu wählen. Er war eigentlich ein rechtschaffener Mann, bis ihn das Schicksal einholte«, fuhr Gordan fort.
»Das Schicksal?«, hakte Tharador nach, der den Antworten des Zauberers unwillkürlich Glauben schenkte. Wenn er jemandem die Schuld am Tod seines Freundes zuweisen wollte, musste er bei sich selbst anfangen. Wäre er nicht einer Laune gefolgt, wäre er noch immer Kommandant der Stadtwache in Surdan und sein Freund noch am Leben.
»Vielleicht war es auch Zufall oder eine Tragödie –
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