Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
Alayna leise. »Wir sehen uns morgen. Schlaf gut.«
»Gute Nacht, Erste.« Sie nickte Jaryd zu. »Weiser.«
Als die Frau davonschlurfte, öffneten Jaryd und Alayna vorsichtig Myns Tür, und das gedämpfte Licht ihrer Cerylle fiel ins Zimmer. Myn lag im Bett und schlief fest. Alayna grinste, und beide schlichen sich ins Zimmer, um Myns Decken zurechtzuzupfen und sie auf die Wange zu küssen.
»Das ist jetzt der dritte Abend, an dem wir das tun«, flüsterte Alayna, nachdem sie das Zimmer wieder verlassen und die Tür geschlossen hatten. »Es gefällt mir nicht, dass ich nicht einmal Zeit habe, ihr gute Nacht zu sagen.« »Ich denke, sie wird es verstehen.«
Alayna nickte. »Da bin ich sicher, aber es gefällt mir trotzdem nicht. Versuchen wir morgen ein bisschen früher Schluss zu machen.«
»Also gut«, sagte Jaryd und griff nach ihrer Hand. »Falls es irgendwie möglich ist, werden wir das tun.«
Sie kehrten in ihre eigenen Räume zurück, schlossen die Tür hinter sich und zündeten mehrere Kerzen an. Jaryd warf sich aufs Bett, und Rithlar nahm ihre übliche Position oben auf dem breiten Kaminsims ein. Alayna setzte sich neben ihren Mann und hielt seine Hand, aber sie schwiegen. Jaryd war zu müde, um irgendwas zu sagen, obwohl er bezweifelte, dass er würde schlafen können. Er hatte seit ihrer Ankunft in Amarid nicht mehr vernünftig schlafen können.
»Was, wenn es überhaupt nichts zu bedeuten hat, Jaryd?«, fragte Alayna plötzlich.
Er öffnete die Augen und sah sie an. »Wie bitte?« »Was, wenn deine Bindung überhaupt nichts bedeutet? Was, wenn wir das hier alles umsonst tun?«
»Hältst du das tatsächlich für möglich?«
Sie zuckte die Achseln und strich sich das dunkle Haar aus der Stirn. »Ich weiß es wirklich nicht mehr«, sagte sie. »Ich -« Sie hielt inne, als aus dem Versammlungssaal Geräusche ertönten. Die beiden wechselten einen Blick. »Das sind vielleicht nur die Diener«, sagte er und setzte sich auf.
Alayna schüttelte den Kopf. »Selbst tagsüber sind sie kaum zu hören. Sie würden um diese Zeit nicht ohne Grund solchen Lärm machen.«
Sie hatte selbstverständlich Recht. Jaryd stand wieder auf und ging auf die Tür zu, aber noch bevor er sie erreicht hatte, klopfte jemand. Jaryd blieb stehen und warf Alayna einen Blick zu. Wieder zuckte sie die Achseln.
»Ja?«, fragte er, nun wieder der Tür zugewandt.
Die Tür ging auf und eine Dienerin spähte zögernd herein. »Es tut mir Leid, dich so noch spät zu stören, Adlerweiser«, sagte die Dienerin leise. »Aber jemand möchte mit dir sprechen.«
»Wer ist es, Grieta?«, fragte Alayna.
»Eine Frau, Eulenmeisterin. Ich glaube, sie ist von der Liga von Amarid. Sie trägt einen blauen Umhang.«
»Hat sie gesagt, wie sie heißt?«, wollte Jaryd wissen.
»Nein, Weiser, das hat sie nicht.« Die Dienerin schien einen Augenblick nachzudenken. »Sie hat nur darum gebeten, mit dem Eulenweisen sprechen zu dürfen, und ich war nicht sicher, was ich tun sollte.«
Jaryd versuchte zu lächeln. »Schon gut«, sagte er. »Sag ihr, ich komme sofort.«
Die Frau nickte und ließ Jaryd und Alayna allein.
»Es ist schrecklich spät für eine Botschaft«, erklärte Jaryd. »Ganz deiner Meinung. Glaubst du, es ist jemand, der zu uns zurückkehren will?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Das ist durchaus möglich. Aber es könnte natürlich auch eine Attentäterin sein.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
»Ich bin nicht mehr sicher, was ich glauben soll«, erwiderte er.
Wieder griff sie nach seiner Hand. »Soll ich mitkommen?«
»Das wäre das Beste. Ich möchte noch nicht, dass eine Ligamagierin Rithlar sieht, und andererseits möchte ich dieser Frau nicht vollkommen ohne magischen Schutz gegenübertreten.«
Alayna nickte, und die beiden gingen in den Versammlungssaal hinaus. Alayna hatte ihre große Eule auf der Schulter, und Jaryd war sich sehr deutlich Rithlars Abwesenheit bewusst.
Aber als sie die großen Holztore der Halle erreichten, sah Jaryd, dass ihre Besucherin ebenfalls keinen Vogel mitgebracht hatte. Es war eine junge Frau mit langem braunem Haar, das ihr glatt bis auf die Schultern fiel, und mit fein gemeißelten Zügen, die denen von Alayna ein wenig ähnlich waren. Sie hatte einen schlichten Stab mit einem hell golden leuchtenden Stein, und sie trug den blauen Umhang einer Magierin der Liga. Aber es waren ihre Augen, die Jaryds Aufmerksamkeit erregten. Sie waren so blau wie der Himmel an einem
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