Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
an Gefühlen. Um sich abzulenken, richtete er eine Frage an den Zwerg: »Dieses Wappentier ... was ist das?« Der weiße Kopf eines Fabeltiers auf blauem Grund: Eine längliche Schnauze mit vielen Reißzähnen, ovale Augen, Hörner und viele Barteln. Ein Geschöpf, dessen erschreckende Schönheit in wenigen, schnörkellosen Strichen eingefangen war.
»Es ist das Wappen von Ardig Hall, das wir tragen, denn wir stehen in seinen Diensten«, antwortete Olrig. »Der Seedrache, das Wahrzeichen der Nauraka. Ein mächtiges Geschöpf aus der Frühzeit der Welt.«
»Gibt es ihn noch?«, fragte Rowarn aufgeregt.
»Wer weiß? Ich war nie an der See.«
»Und was ist mit den Nauraka, die das Wahrzeichen schufen?«
»Auch über die Nauraka ist mir nichts weiter bekannt. Königin Ylwa hat sich seit über achtzig Jahren niemandem mehr gezeigt, sodass sich nicht einmal mein Freund Noïrun ein Bild von ihr machen konnte.« Olrig schüttelte sich. »Ich lege auch keinen Wert darauf, mehr herauszufinden, Baumäffchen. Wasser ist mir unheimlich, ich ziehe festen Boden und hartes Gestein vor. Das ist etwas, das ich greifen kann, und verändern.«
Noïrun kam an ihre Seite. »Rowarn, beschreibe uns ganz genau die Stelle, wo du und Anini gewesen seid.«
»Es ist nicht weit, Herr.« Rowarn deutete vor sich. »Noch über diesen Hügel, und dann gleich dahinter, schon kurz vor dem Wald.«
Seit dem Vorfall war er nicht mehr an diesem Ort gewesen, und er fürchtete sich davor. Aber er musste sich der Angst stellen, wenn er jemals die Wahrheit herausfinden wollte.
Vor allem über sich.
Nachdem sie den Hügel überwunden hatten, ließ der Fürst anhalten. »Rowarn, Olrig, ihr kommt mit mir. Und der Fährtenleser!«, rief er nach hinten.
Sie saßen ab und stiegen zu viert den verhängnisvollen Hügel hinauf. Rowarn hatte das Gefühl, als wären seine Beine schwer wie Blei. Die Luft wurde ihm abgeschnürt, je näher sie dem Platz kamen. Das Gras stand inzwischen höher, saftig und grün, und überall blühten Blumen, zwischen denen vielerlei Insekten umherschwirrten. Doch der Tag verlor an sonniger Fröhlichkeit, je weiter Rowarn voranschritt. Die anderen folgten ihm in kurzem Abstand.
Am Fuß des Hügels wartete der Rest der Schar, worüber die Pferde begeistert waren, denn sie standen inmitten des Überflusses. Sämtliche Köpfe waren gesenkt, und die Rupf- und Kaugeräusche waren bis hier oben zu hören, auch das selige Seufzen und Schnauben.
Rowarn schluckte. Die Befürchtung, die genaue Stelle womöglich nicht mehr wiederzufinden, war töricht gewesen. Der Platz war dürr und braun. Nichts wuchs hier mehr, und überall klebte getrocknetes Blut, deutlich sichtbar vor allem an verwelkten, gelben Grasstängeln.
Auch Olrig und Noïrun stockten kurz, als sie zu Rowarn aufholten. »Bei Lugdurs glühenden Essen«, stieß der Kriegskönig betroffen hervor. »Als ob ein Massaker stattgefunden hätte ...«
Rowarn merkte, wie sich sein Magen umdrehte, als Aninis Anblick sich vor dieses schreckliche Bild schob.
»Olrig, schnell, bring ihn weg«, sagte Noïrun hastig. »Er soll keine Spuren verwischen ...«
Der Zwerg packte Rowarn und zog ihn ein Stück abseits, wo das Gras unschuldig und frisch aussah, was allerdings im nächsten Augenblick zunichte geworden war, als der junge Nauraka sich nicht mehr beherrschen konnte. Mitleidig strich Olrig über Rowarns hellen Schopf, als er zitternd und würgend im Gras kauerte. »Armer Junge«, murmelte er. »Vielleicht solltest du dir das mit deinem Angebot noch einmal überlegen, denn bald müssen dir solche Anblicke nur allzu vertraut sein.«
»Ich b-bin eine V-verpflichtung eingegangen«, stotterte er. »Und ich stehe das durch, irgendwann muss ich es ja.« Er war beschämt und wütend auf sich selbst, weil er sich nicht in der Gewalt hatte.
»Wie geht es ihm?«, rief der Fürst herüber.
»Besser!«, antwortete Rowarn schnell, bevor Olrig etwas sagen konnte. »Alles in Ordnung.«
»Dann komm her und sieh Morwen bei der Arbeit zu. Wir haben schon interessante Sachen gefunden.«
Olrig stützte ihn, als er noch ein wenig wacklig aufstand, und sie kehrten zurück.
Der Fährtensucher war nur wenig kleiner als Rowarn, schmal wie ein Knabe gebaut, dem der erste Bartflaum noch nicht gesprossen war. Er trug die Kleidung eines Waldläufers, Hosen und Stiefel aus Leder, darüber ein grob gewebtes, dunkles Hemd mit angenähter Kapuze und ein Lederwams mit vielen kleinen Taschen und Zierschnüren. An
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