Die Chronistin
Vorgängen berichtet. Ich lasse es nicht zu, dass Ihr Gespött über ihn, seine Schwiegertochter und Euer ganzes Geschlecht bringt. Ein Wort von mir hat mehr Gewicht als sämtliches Geplapper von Blanche. Und wenn Ihr wagt, die Grenzen Eures Standes zu überschreiten, so werde ich dafür sorgen, dass Ihr nie wieder den Palast betretet.«
Das spöttische Lächeln schwand Sophia von den Lippen. Kaum roch sie die Ausdünstungen des Verwundeten, dessen Darm und Blase sich ob der schrecklichen Schmerzen entleert hatten. »Wisst Ihr nicht, was mir die Dauphine verdankt?«, rief sie über den Gestank hinweg.
Neugierig hoben manche der Ärzte die Augen – lieber das Gezänk bezeugend, als die grausigen Wunden zu studieren.
»Ich weiß vor allem, dass das Weib ein minderwertiges Wesen ist, das von Gott nicht nach seinem Ebenbilde geschaffen wurde«, gab Henri Clément zurück. »Es entspricht der natürlichen Ordnung, dass die Frauen sich den Männern restlos unterwerfen. Der Dauphin Louis aber befolgt, was immer ihm die Dauphine einredet.«
»Oho!«, rief Sophia kreischend. »Ich wusste nicht, dass es im nächsten Umfeld des Königs so gelehrte Männer gibt, die gar den Kirchenlehrer Augustinus zitieren.«
»Spottet nicht über mich! Allein das Bewusstsein vom eigenen Wesen sollte Eure Scham hervorrufen.«
»Ach wie?«, rief Sophia aus. »Soll ich mich auch dafür schämen, dass ich befähigt bin, Euch Gegenteiliges zu beweisen, indem ich diesem armen Mann das Leben rette, wohingegen Eure Quacksalber ihn verbluten lassen?«
»Ich warne Euch! Ihr denkt, weil Ihr Blanches Herz gewonnen habt, ist Eure Stellung hier bei Hofe sicher. Aber so ist es nicht. Längst habt Ihr mächtige Feinde – und nicht nur ich zähle zu ihnen. Schon hat der Beichtvater des Königs...«
»Ich habe nichts Unrechtes getan!«, unterbrach sie ihn heftig.
»Dem König gefällt es am besten, wenn sein Sohn sich demütig und still zeigt!«
»Und hätte es ihm auch gefallen, dass Blanche elendiglich im Wochenbett verendet wäre und mit ihr sein Enkelsohn? Ihr bestimmt nicht über mein Leben, Henri Clément!«
»Tatsächlich nicht?«, fragte er lauernd. Seine Stimme wurde flüsternd und bedrohlich. »Ich habe mich über Euch kundig gemacht, Sophia de Guscelin. Ich weiß, wer Ihr seid. Ihr stammt nicht aus Paris, sondern Ihr habt seinerzeit Prinzessin Isambour von Dänemark begleitet. Ich war zugegen, an jenem verregneten Tag im August, als der König sie bei Amiens in Empfang nahm und sie vor seinen – und auch vor Euren Augen – aus der Kutsche plumpste. Ich habe Euer Gesicht nicht vergessen. Denkt Ihr, König Philippe würde es gefallen, wenn seine Schwiegertochter die Hofdame seines verhassten Weibes übernimmt?«
Bis jetzt hatte Sophia ihm herausfordernd ins Gesicht gestarrt, gewiss, dass ihre Position gesichert genug sei, um auf jedwede Beherrschung verzichten zu können. Nun schwand ihr die aufgeregte Farbe von den Wangen, und sie wich zurück.
»Ich habe damals bezeugt, dass Isambour verhext ist!«, setzte sie an und verfluchte sich dafür, weil ihre Lippen bebten und ihre Stimme schwächelte. »Ich habe stets geschworen, dass die Ehe nicht vollzogen wurde. Ohne mich wäre...«
»Ha!«, lachte Henri Clément. »Allein, dass Euer Name mit dem ihren verbunden ist, bringt Euch zu Fall. Es wäre ein Leichtes für mich, beim König solches zu bewirken. Dann seht Ihr Blanche nie wieder.«
»Das wagt Ihr nicht, o nein, das wagt Ihr nicht!«
Fast flehend klang sie nun.
Henri Clément lachte höhnend. »Schert Euch von hier fort, ma Dame, verhaltet Euch zukünftig still und demütig und wagt es nicht, der Dauphine Ratschläge zu erteilen. Dann werde ich’s Euch vielleicht gestatten, manchmal an ihrer Seite zu weilen. Wehe jedoch, Ihr denkt, dass Ihr durch sie am Hof bestimmt!«
Sophia erbleichte noch mehr. Alle Ärzte starrten sie mittlerweile an. Selbst der Verwundete, der kurzwährend sein Bewusstsein wiedergefunden hatte, wandte die heile Hälfte seines Gesichts in Richtung des Streitgesprächs. Es waren jedoch nicht diese Zeugen, die Sophia am meisten zusetzten.
Vom Tor her fiel ein schwarzer Schatten. Niemand wusste, wie lange er dort gestanden hatte und wie viel von dem Gezänk er vernommen hatte. Erst jetzt schaltete er sich ein.
»Was geht hier vor?«, fragte Frère Guérin mit undurchdringlicher Miene.
Die Dauphine Blanche hatte sich in ihr übergroßes Bett zurückgezogen und gab erstmals nach vielen Monaten wieder vor zu
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