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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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sie vorsichtig. »Er scheint zu denken, dass sich ein Weib zu viel anmaßt, will es sich in der Medizin auskennen...«
    Blanche setzte sich auf. Ihre Stimme klang nicht nur leidend, sondern irgendwie auch lauernd. »Und kann es nicht sein, dass er damit Recht hat?«
    Sophia kämpfte erneut um ihre Fassung. Nicht Blanches Worte stellten sie am meisten auf die Probe, sondern ihr kränkliches Gebaren, in das sie stets flüchtete, wenn sie sich einer Sache nicht sicher war. Dann gab sie sich wie ein kleines Kind, nörgelnd, an allem zweifelnd, ein wenig trotzig. »Vielleicht«, erwiderte Sophia da fast mit gleichem Tonfall. »Vielleicht wär’s besser gewesen, ich wäre nicht hinzugekommen, hätte die guten Ärzte nicht gestört... Vielleicht hätte ich mich einfach nicht einmischen dürfen!«
    Blanche runzelte die Stirne, dass Sophia ihr nicht widersprach und in ihrer Stimme kein Hohn klang, wiewohl die Worte ihn doch verhießen.
    Sophia aber sprach eifrig fort – erst im Reden innewerdend, dass sie der erlittenen Demütigung noch mehr entgegensetzen wollte als nur ohnmächtige Wut, dass sie einen Plan ausheckte, um ihre Schmach zu rächen, wie so oft in ihrem Leben aus dem Augenblick geboren, nicht nüchtern und ausführlich durchdacht.
    »Ja«, spann sie ihr Vorhaben fort. »Es kann schon sein, dass ich mir zu viel herausgenommen habe, dass manch guter Mann am Hofe zu Recht über eine wie mich tuschelt...«
    »Aber...«, begann Blanche ob der befremdlichen Zustimmung verwirrt.
    »Genau betrachtet«, fiel Sophia ihr jedoch ins Wort. »Genau betrachtet ist auch armselig, was ich Euch jemals lehren könnte! Ein fader Abglanz dessen, was an der neuen Universität gelehrt wird!«
    Sie setzte eine kunstvolle Pause, um noch beschwörender fortzufahren.
    »Trotzdem – Ihr seid die künftige Königin. Ihr habt ein Recht darauf, in möglichst vielen Dingen kundig zu sein – und auch Euer Gatte braucht erfahrene, kluge Berater, auf dass er nicht nur ein Land zu führen weiß, sondern die Welt und Gottes Willen zu deuten. Oft habe ich Euch besucht in den letzten beiden Jahren – aber wenn wir’s genau betrachten, so war es doch nur Weibergeschwätz, was wir da trieben. An wahrer Stütze und an weitsichtigem Beistand aber mangelt’s Euch.«
    »Was... was meint Ihr denn?«, warf Blanche ein, und ihr Unverständnis über eine gänzlich gewandelte Sophia vertrieb den letzten Rest an kränklicher, kindlicher Weltflucht.
    »Gewiss, ich bin nicht, wie andere Frauen sind«, fuhr Sophia herrisch fort. »Jedoch: Schwach und wankelmütig ist unser Geschlecht, ein verfehlter Abglanz der männlichen Vollkommenheit. Euch meine ich nicht – Ihr steht im Schatten künftiger, von Gott verliehener Würde; für Euch gelten andere Gesetze. Aber ich... ich komme mir manchmal so armselig vor.«
    Es tat gut, dass sie dem scheußlichen Nachmittag etwas entgegenschleudern konnte. Gerne hätte sie mit trotziger Stimme auch gegen Henri Clément gewütet und gegen Frère Guérin.
    »Ja, armselig... Und darum denke ich, dass Euch an meiner statt ein Mann belehren sollte, der der größte Gelehrte sein wird, den Paris jemals sah«, fuhr Sophia fort und versuchte zu verbergen, dass sie nicht nur mitreißend klang, sondern auch verbittert, dass in ihr nicht nur Triumph über den geglückten Einfall tobte, sondern altbekannter, gefräßiger Neid.
    Blanche kniff die Augen zusammen.
    »Denkt Ihr wirklich?«, fragte sie ratlos ob dieser mitreißenden, wiewohl aus Sophias stolzem Mund gänzlich widersinnig tönenden Rede.
    »Keiner ist so schnell Magister der Sieben Künste geworden wie er«, sprach jene aber da schon fort und bekämpfte mit dem schnellen Entschluss nicht nur eigene Verbitterung, sondern auch Blanches Zögern.
    »Eine glänzende Zukunft ist ihm vorausbestimmt. Er kann Euch viel mehr lehren, als ich es je vermag. Er wird Euch ein viel besserer Berater sein. Ich will Euch Théodore de Guscelin vorstellen, meinen Stiefsohn.«
    Als sie später ihr Heim betrat, hatte sich die Röte auf ihren Wangen verflüchtigt, das Zittern nachgelassen und sich ihr Vorhaben ausreichend in den Gedanken festgebissen, dass sie es sogleich umsetzen wollte.
    Ja, dachte sie bekräftigend, indessen sie sich den kalten Schweiß von der Stirne wischte, genau das werde ich tun. Théodore soll meinen Rang einnehmen. Nichts werden sie gegen ihn, den angesehenen Sohn eines ehemaligen Kreuzritters, einwenden können, keine Schwachstelle finden, so wie an mir die unselige

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