Die Chronistin
kränkeln. Die Hitze, die in ihr tobte, könne nur vom Fieber kommen, schwor sie, wiewohl sie leichenblass war wie das Laken.
Sophia widersprach ihr nicht, sondern stand schweigend und steif neben ihr, kaum fähig, ein Wort zu sagen.
Die Wolken, die während des Turniers nur weiße Sprenkel gewesen waren, hatten sich verdichtet; der Himmel hatte sich gelb und verwaschen gefärbt und spuckte nun Nieselregen. Als Sophia zurück zur Tribüne geeilt war, um hier zu erfahren, dass Blanche sich bereits ob des Schreckens zurückgezogen hatte, hatte sie die ersten feinen Tropfen gespürt. Fadengleich vermochten sie es nicht, das Gesicht abzukühlen, dessen Farbe sich vom Leichenblassen längst wieder ins zornig Rote verwandelt hatte. Die Demütigung, die sie hatte erfahren müssen, hatte sich zur heißen, stickigen Wolke aus Wut und Ohnmacht verknäult, in der sie feststeckte und kaum atmen konnte.
»Sagt«, begann Blanche mit eigentlich längst abgelegter, leidender Stimme zu murmeln, »wie geht es Albert de Tournai? Ist er gestorben, als er für mich kämpfte?«
Sophia schwitzte unter ihrer Haube, und die Tropfen, die sich darob bildeten, waren größer als jene, die vorhin der Regen geformt hatte.
»Er war nicht zu retten...«, gab sie widerwillig zu.
Blanche zuckte zusammen und sank tiefer ins Laken. »Aber Ihr habt doch alles für ihn getan?«
»Ja, natürlich«, erwiderte sie rasch. »Nur manches Mal vermag auch ich nichts auszurichten.«
Sophia vermochte nicht einzugestehen, dass sie es gar nicht erst hatte versuchen dürfen. Die Gesichter, in die sie die letzten Stunden gestarrt hatte, spulte ihr das Gedächtnis wie Fratzen vor – das des Verwundeten, der schließlich verblutet war, das des selbstherrlichen Henri Clément, der es geschafft hatte, sie mit seiner Drohung verstummen zu lassen, schließlich das von Frère Guérin, am peinvollsten von allen.
Noch vorhin auf der Tribüne hatte sie über ihn triumphiert, sich der Stellung und des Einflusses sicher gewähnt, die sie sich an der Seite von Blanche ertrotzt hatte. Nun verlangte er als Schiedsrichter von Henri Clément zu wissen, was geschehen war, damit er darüber urteilen konnte.
In Erinnerung daran verkrampfte Sophia ihre Hände ineinander und schabte mit den Fingernägeln so tief, bis sämiges Blut floss.
Einzig Blanches Gegenwart erzwang Beherrschung.
»Ihr sollt Euch keinen Vorwurf machen, ma Dauphine«, sprach sie ruhig. »Unglücke wie dieses geschehen immer wieder... es wird den anderen Rittern eine Lehre sein, künftig besser zwischen Mut und Torheit zu unterscheiden.«
Sie hatte Frère Guérin nicht erlaubt, über sie zu richten. Sie konnte kaum ertragen, Cléments Drohung nichts entgegensetzen zu können, noch weniger aber Guérins Hohn, wenn sich ihre Macht bei Hofe als lächerlich aufgedunsene Blase entpuppte, die beim kleinsten Pieksen kraftlos und faltig in sich zusammensank. Oh, und dieser Hohn wäre ihr gewiss ob ihres herrschsüchtigen Gehabes. Was sollte sie von einem Mann, der sie einst von Wachen hatte wegzerren lassen, anderes erwarten, als dass er sie vor den Blicken der stümpernden Ärzte erneut erniedrigte?
Sie war geflohen, ohne seine Worte zu hören, und zahlte nun den Preis, sie sich im Stillen vorstellen zu müssen. Gewiss ist er einer Meinung mit Clément, durchfuhr es sie. Gewiss hat er dessen Einschreiten gelobt...
Um sich abzulenken, presste Sophia prüfend ihre Hand auf Blanches Wangen. Sie deuchten sie heiß, aber nicht fiebrig.
»Der Bischof von Paris hat geraten, dass fortan nur ungefährliche Waffen gebraucht werden dürften«, murmelte Blanche und setzte unwillkürlich hinzu: »Ist es wahr, dass Ihr mit Henri Clément in Streit geraten seid? Eine meiner Damen hat mir solches zugeflüstert...«
Sophia stöhnte innerlich auf, hadernd, dass die knappe Stunde, die sie benötigt hatte, um die Beherrschung wiederzufinden, ein ausreichender Zeitraum war, um den Hofklatsch anzustacheln. So war der Moment der Schwäche also nicht unentdeckt geblieben...
Sie bemühte sich, keine Regung zu zeigen, sondern ließ einzig die Hand sinken. Sie sprach belanglos, auf dass die andere – wenn sie denn schon von ihrer Demütigung erfahren hatte – zumindest nicht erahnte, wie tief diese ginge, wie tief auch der Gedanke schmerzte: Nicht einmal diesen Triumph konnte ich mir bewahren. Mir nicht eine einzige Sache aneignen, die Guérin nicht madig macht.
»Ja, ich habe tatsächlich mit Henri Clément gesprochen«, begann
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