Die Chronistin
Edelsteinen tragen!«, befahl sie soeben. »Und besser wär’s, sie trüge statt des roten ein blaues Gewand wie der König. So soll das Volk sogleich erkennen, dass sie sein Weib ist.«
»Ihr wollt sie doch nicht auf die Brüstung lassen, auf dass sie ihn dort empfange?«, fuhr Gret dazwischen. Sie hatte sich mürrisch gefügt, dass Sophia die Herrschaft in der Kemenate übernahm. Ihr Trachten am heutigen, wichtigen Tag aber ging ihr entschieden zu weit.
»Oh doch, das wird sie tun!«, gab Sophia herrisch zurück. »Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als diesen, dass der König sie vor aller Welt begrüßt. Ich hoffe einzig... dass sie sich richtig verhält... dass sie nicht unmenschlich schreit ob der lärmenden Menschenschar.«
Gret blieb misstrauisch. Wohl sah sie, dass Isambours Leben in Paris weicher und wärmer und satter war als im grässlichen Étampes. Doch noch weniger als Sophia traute sie dem bösen, rachsüchtigen König und hielt es für ratsamer, den Schützling gänzlich vor ihm zu verstecken.
»Die Königin hat nicht wieder geschrieen – seit zwanzig Jahren gab sie keinen Ton von sich.«
»Umso besser! Dann wird es leichter sein, ihr an diesem Hofe einen Platz zu schaffen, von dem sie niemals wieder einer stoßen kann.«
»Und das wollt Ihr bewirken? Und ausgerechnet heute?«, zischte Gret und beobachtete misstrauisch, wie Sophia die reglose Isambour umwanderte, ihr Aussehen prüfte und einen Schleier zurechtzupfte, der das faltige, eingefallene Gesicht verbarg.
»Natürlich heute«, beschwor Sophia Isambour – und gleichermaßen Gret. »Der König wird nach Paris zurückkehren. Ihr müsst tun, was ich Euch sage, ma Reine. Hört Ihr, wie draußen die Menge tobt? Sie feiert den größten Tag, den das kleine Frankreich jemals erlebt hat.«
Paris war trunken, aufgewühlt und laut, vor allem aber war es bunt. Viele Farben vermischten sich hier – von Blüten, Kränzen, Bannern, Kleidern, Rüstungen. Die Hauptstadt begrüßte einen siegreichen König, den man ab heute mit dem Beinamen Augustus bedachte. Alle Straßen und Plätze waren überfüllt; auf dem Pont Neuf ließen die Händler Vögel fliegen, um ihn zu empfangen. Und selbst von der Höhe winkte man Philippe zu – von den Zinnen des Louvre, den der König seit der Jahrhundertwende erbauen ließ, oder von den Türmen der Notre Dame, welche schon bald die größte und schönste Kathedrale Frankreichs werden sollte. Die zischenden Menschenlaute wurden vom Hall der schweren Glocken übertönt: Jede Kirche läutete – wie schon an jenem Sonntag, dem letzten im Juli 1214, als König Philippe Capet Frankreich vor seinen Feinden errettet und seinen Schwur eingelöst hatte, es groß zu machen.
Sophia wartete neben Königin Isambour – und nicht weit entfernt von der Dauphine Blanche. Mit keinem Blick hatte jene sie bislang bedacht, stattdessen sich mehrmals aufstöhnend den Leib gerieben. Aufgebläht war jener von einer Schwangerschaft, die der ganze Hof begaffte – neugierig, ob Gott mit einer gelungenen Niederkunft ein Zeichen setzte, wonach ihr und dem Dauphin die Auflehnung gegen den König vergeben war, oder ob sie das neue Kind wie die Zwillinge vor einigen Jahren verlieren und solcherart bezeugen würde, dass Ungehorsam bittere Früchte trägt.
Sophia betrachtete sie unauffällig von der Seite – hadernd, dass ihr der Einsatz für Isambour die andere noch nicht nahe gebracht. Nicht nur, dass Blanche ihr strikt das Wort verweigerte; obendrein war’s schwer, überhaupt auf sie zu treffen. In den ersten Monaten ihrer Schwangerschaft hatte sie sich ganz nach Poissy zurückgezogen, dem Jagdschloss, wo einst die unglückliche Agnèse ihre letzten Stunden verlebt hatte und das nun, nachdem der König es vor einigen Jahren an seinen Sohn
übergeben hatte, der Fluchtort für die beschämte Blanche geworden war.
Doch heute war nicht der Tag, um für die Versöhnung mit Blanche zu kämpfen – und so wandte sich Sophia wieder ab, um wie die anderen der Ankunft des Königs zu harren.
Guillaume de Barres und Mathieu de Montmorency, Frankreichs kühnste Ritter, führten den siegreichen Zug an. Zu ihren Füßen warfen sich gebrechliche Alte, stinkende Aussätzige und Verkrüppelte nieder. Es ging die Mär, dass der König seit jener ruhmreichen Schlacht zu Bouvines durch seine bloße Gegenwart alle Kranken heilen konnte – und warum sollte diese Gottesgabe nicht auch von seinen tapferen Kämpfern zu erwarten sein?
Man erzählte später,
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