Die Chronistin
Feinde habe. Jener Thorwald nun hat es weit gebracht am Hof des dänischen Königs. Denn ebenso, wie ich es brauchen konnte, dass er aller nordischen Dialekte kundig war, war es seinem König recht, über einen zu verfügen, der das Deutsche beherrscht. Jener König heißt Knut, und er hat sein Land groß gemacht in den letzten Jahren. Mecklenburg und Pommern ist nun dänisch, und dem deutschen Kaiser muss er nicht länger als Lehnsherr dienen.«
Sein Blick rutschte von der Tante zu Sophia, ein wenig um ihre Neugierde heischend, die alsbald ihr Abkommen besiegeln könnte.
»Ei freilich ist sein Ehrgeiz nicht gesättigt, und um weiteres Land zu erobern, sucht er das Bündnis mit einem Land im Süden – ich spreche von Frankreich, wo König Philippe herrscht. Vor kurzem ist jener vom Kreuzzug zurückgekehrt und kämpft seitdem erbittert gegen Richard von England, den man Löwenherz nennt, weil er tapfer ist und keine Schlacht scheut. Freilich – just in diesen Tagen ist er machtlos, weil vom deutschen Kaiser Heinrich gefangen gehalten, und diese Zeit nun soll genützt werden, dass Knut in England landet, Philippe aber sämtliche englischen Gebiete am Festland erobert.«
Bislang hatte Bertha der Nichte gleich geschwiegen. Nun schien die Fülle an Auskunft den engen Geist solcherart zum Bersten bringen zu wollen wie der Mangel an Atem den runden Leib.
»Und was hat dies mit unserer Ragnhild zu tun?«, fragte sie, indessen sie die einengende Tischplatte zurückschob.
»Gemach, gute Bertha. König Knut von Dänemark hat ein Schwesterlein, Ingeborg geheißen, und jenes soll den König in Frankreich ehelichen und dortig Königin sein. Dies ist, was Thorwald mir berichtete, desgleichen aber auch, dass es vonnöten wäre, für die weite Reise und für das Leben im fernen Land, Prinzessin Ingeborg eine weise Frau zur Seite zu stellen. Des Lateinischen soll diese fähig sein, desgleichen dazu, in Briefen vom Geschick der königlichen Schwester nach Dänemark heim zu berichten, und schließlich, mit kundigen und lebenswachen Augen zu erkennen, wie sich Prinzessin Ingeborg – oder vielmehr Isambour, wie sie in der neuen Heimat heißen wird – zu verhalten habe, will sie eine würdige französische Königin sein.«
Die Vettern murmelten – zu undeutlich, um erkennen zu lassen, ob sie erst zu bereden hatten, was Arnulfs Worte im Genauen besagten, oder ob sie bereits ihre Meinung dazu bekundeten.
»Und könnt Ihr mir sagen, wie Eure Wahl gerade auf unsere Ragnhild fällt?«, übertönte Bertha ihre Söhne. Sie hatte die Fragen zu stellen und sonst niemand. Ihr Gatte, welcher zwar vorhanden war, es jedoch vorzog, den Lebensabend in stillem Missmut zu verbringen und sich jedes Wort als unerlaubte Verschwendung an ein freudloses Dasein verbat, fügte sich dem Urteil. Die Vettern aber tuschelten noch lauter und unruhiger.
»Weil sie eben diese Vorzüge besitzt«, sprach Arnulf darüber hinweg. »Sie spricht und schreibt Latein. Ihr Name von Eistersheim zeichnet sie als Hochwohlgeborene aus. Und sie ist gut erzogen, um sich inmitten feiner Sitten zurechtzufinden.«
Bertha rümpfte die Nase. »Gut erzogen! Ha!«, geiferte sie mit angestrengter Stimme. »Und läuft mir doch davon, die dreiste Maid, ja, wagt mich zu beschimpfen!«
Die Kränkung hockte noch im fettleibigen Körper – nicht ausreichend hatte sie sie aus sich herausgeprügelt.
Sophia achtete nicht auf sie.
»Es macht mich wundern«, ertönte erstmals ihre Stimme, »dass es in Dänemark der Weiber nicht geben soll, die gleichfalls solche Dienste leisten. Und überhaupt: Was braucht ein Mädchen, das zur Königin erzogen wurde, eine Fremde, die ihr gutes Benehmen beibringt?«
Während Bertha ihren Missmut schluckte und Arnulfs Antwort wieder neugierig glotzend erwartete, blickte jener zu Boden. Er gab sich wie einst, als er von seiner Wunde an schamvoller Stelle kündete – peinlich berührt und verlegen und zugleich voll Trotz, mit dem er sich seine körperlichen Schwächen gestattete.
»Es ist...«, begann er zögernd.
»Was, Arnulf, verbergt Ihr mir, was es über Isambour von Dänemark zu sagen gäbe?«, drängte Sophia umso heftiger.
»Frankreich ist klein«, wich er aus, »aber seine Hauptstadt Paris in aller Welt bekannt, weil die Frauen dort schöner gekleidet sind als anderswo und die Gelehrten bei den klügsten Professoren lernen. Ich könnte mir denken, dass du dort ein Leben findest, Sophia, was dir gefällt. Du wärst nicht nur eine Hofdame und
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