Die Chronistin
Beraterin der künftigen Königin... du wärst Ähnliches wie ihr... Chronist.«
Vorsichtig spähend hob er den Blick.
»Ich habe noch nicht meine Zustimmung gegeben!«, krächzte Bertha unwillig dazwischen.
»Was verschweigt Ihr mir?«, wiederholte Sophia fest.
Arnulf wandte sich der Tante zu. »Ich denke doch«, sprach er mit leisem Spott, »dass Euch der dänische Hof den Abschied von der geliebten Nichte erleichtern wird. Gewiss ist Euch fürstlicher Lohn bestimmt, verzichtet Ihr auf die ach so teure Verwandte...«
Berthas Wangen röteten sich – verärgert wegen seines Spotts, aber noch mehr erfreut über die Aussicht, an der Nichte zu verdienen.
»Und was die künftige Königin von Frankreich betrifft«, beschied Arnulf indessen wieder an Sophia gewandt, »so mach dir selbst ein Bild – ich weiß zu wenig über sie. Allein, so mag ich mit Gewissheit sagen, hat Prinzessin Isambour kundiges Geleit dringend Not. Man erzählt... man erzählt, dass sie nicht ist, wie andere Frauen sind.«
Später verbrannte Sophia alles, was sie in Lübeck jemals aufgeschrieben hatte – alle Geschichten, die Arnulf von der fernen Welt erzählt hatte, all die Hoffnungen, dass er sie von der schrecklichen Familie befreien und zur Frau nehmen würde. Sie wusste, dass sie sie nicht vollkommen würde ausmerzen können. Den dunklen Seelentümpel, in dem sie die Buchstaben, Wörter, Sätze versenkte, konnte ihr gutes Gedächtnis jederzeit hochspülen.
Aber sie würde dagegen ankämpfen. Sie würde nicht danach kramen, sich nicht nach der Zeit in Lübeck umdrehen.
Ihre Augen tränten, als sie in die Flammen blickte, bis das Pergament zur grauen Asche zerfallen war. Hernach nahm sie einen neuen Bogen.
Aus der Chronik
König Philippe von Frankreich wurde am 21. August des Jahres 1165 geboren, als Sohn von Louis VII., der mit seinen beiden ersten Frauen nur vier Töchter gezeugt hatte, und Adèle de Champagne.
Bischof Maurice von Paris hob ihn am nächsten Tag zur Taufe, und das Volk jubelte, als es das Neugeborene sah – hoffend, dass das kleine Frankreich in seinen Händen eine große Zukunft finde.
»Ich will mein Land groß machen«, erklärte er schon als Junge, und jeder, der es hörte, mochte darin nicht nur eine gut gewählte, sondern notwendige Aufgabe erblicken. Manche Herzogtümer im Süden waren größer gar als das eigene Land; neben dem mächtigen Nachbarn – das Angevinische Reich, das neben England um das Poitou, die Normandie, die Bretagne und Aquitanien seine Grenzen zog – versank es ins Bedeutungslose.
Wer immer dort herrschte, war Philippes Feind.
Zuerst freilich musste er selbst die Macht erringen. Noch zu Lebzeiten des Vaters wurde er im November 1179 von Bischof Guillaume von Reims gekrönt: Jener salbte ihn mit dem heiligen Öl und setzte ihm die Krone auf. Kaum ein Jahr später, es war dies im Jahr des Herrn 1180, nahm er das Staatssiegel an sich und erklärte den alten Vater für zu krank, um fürderhin Beschlüsse zu fällen.
Man bewunderte seinen Machthunger, fürchtete seine Grausamkeit, blickte zwiespältig schließlich auf die dritte Neigung, mit der er Frankreich groß machen wollte: indem er finstere Intrigen spann und Zwietracht säte. Vorzüglich gelang es ihm, dem alten König des Angevinischen Reichs, Henri Plantagenet, das Leben schwer zu machen. Vier Söhne hatte jener, die nur allzu eifrig nach der Krone griffen, und Philippe verbündete sich stets mit jenem Bruder, der gerade gegen den Vater oder gegen den anderen kämpfte, um freilich in ihm den Rivalen zu erblicken, kaum hatte er mit Philippes Hilfe die Macht errungen.
Vor wenigen Jahren noch war er mit Richard Plantagenet, den man auch Cœur de Lion, Löwenherz, nannte, aufs Engste befreundet. Nun, da der andere König war, war er zum schlimmsten Feind geworden – und er suchte das Bündnis mit Dänemark, um seiner Herr zu werden.
Sophia hatte wenig bei sich, als sie im bauchigen Schiff, wo es heimelig nach Holz und stickig nach Schweißdunst roch, von Gret in Empfang genommen wurde. Die wenigen Kleider waren schlicht und einfach, und Gret verlangte, dass sie jene alsbald gegen feinere austauschen müsste.
Sie war von Arnulf wie von der verhassten Familie gegangen – überzeugt, sie alle nicht wiederzusehen. Auch wenn sie nicht wusste, welches Leben sie im Genauen erwartete (und die Andeutungen über Prinzessin Isambour waren rätselhaft geblieben), so wähnte sie sich doch sicher, dass an der Seite einer Königin ein
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