Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
lassen?
    Ärgerlich legte Ermessenda la Bela das Blatt auf den Tisch, denn der Gedanke an Alienor erinnerte sie an ihre eigene missliche Lage als Regentin auf Zeit. Außerdem war es jetzt Herbst und die Süße des Lenzes längst verflogen, die Blätter gestorben, die Bäume kahl. Keine Jahreszeit für die Liebe, eher eine für die grauen Winkelzüge der Politik. Sie wünschte, sie würde sich weniger hilflos fühlen. Was würde aus Narbona mit Ermengarda als Erbin?
    Ihre Ehe mit
Vescoms
Aimeric war keine Verbindung aus Gründen der Macht gewesen, denn kaum war seine erste Frau unter der Erde, hatte er begonnen, hartnäckig um sie zu werben. Die Liebe eines solchen Mannes, reich und mächtig, wenn auch zwanzig Jahre älter, hatte ihr zunächst sehr geschmeichelt. Und dass er sie geliebt hatte, darüber bestand kein Zweifel. Eine Frau weiß so etwas. Mit Aufmerksamkeiten hatte er sie überhäuft, und von ihrem Leib hatte er nicht genug bekommen können. Nun, nicht verwunderlich, war sie doch erst achtzehn bei ihrer Hochzeit gewesen. Aber wie zärtlich und verwundbar ein so herrischer Mann in der Abgeschiedenheit der ehelichen Kammer sein konnte, davon hatte sie sich in den ersten Jahren ganz verzaubern lassen, von der Macht ihrer eigenen Wirkung auf diesen beachtlichen Mann.
    Ermessenda seufzte.
Vescoms
Aimeric war ein rechter Kerl gewesen. Fast vermisste sie ihn. Wenn er auch alles für sie getan hätte, aber seinem jungen Sohn Aimeric aus erster Ehe das Erbrecht zugunsten ihres eigenen Sohnes Berenguer zu verweigern, zu diesem Schritt hätte er sich natürlich nie entschlossen.
    Erst der tödliche Jagdunfall des Stiefsohns vor einigen Jahren hatte die Lage zu ihren Gunsten verändert, denn mit diesem Tod war sie nicht mehr nur Regentin auf Zeit, sondern die Mutter des künftigen Vizegrafen Berenguer. Ärgerlich nur, dass darüber Gerüchte die Runde machten, aber die Leute hatten ja immer etwas zu tratschen.
    Untröstlich war sie gewesen, als ihr kleiner Liebling dann im zarten Alter von sieben Jahren einem heftigen Fieber zum Opfer gefallen war.
    Nach dem Ableben der Brüder fiel das Erbe nun ausgerechnet auf Ermengarda, diesem Balg der Frau, die vor ihr gewesen war.
    La Bela erhob sich und schritt zu einem Wandtischchen, wo sie etwas Wein in einen kostbaren Kelch aus geschliffenem Glas schenkte. Eigentlich trank sie wenig Wein, und wenn, dann sehr verdünnt, aber heute brauchte sie etwas, um das Flattern in ihrem Magen zu beruhigen. Zu viel stand auf dem Spiel. Sie nahm einen tiefen Schluck des starken Weins von den Hängen der Corbieras, schloss einen Augenblick die Augen und überließ sich der angenehmen Wärme, die sich in ihrem Leib ausbreitete.
    Dann warf sie einen Blick auf die Mädchen. Meine kleine Nina will nicht mehr Kind sein, dachte sie belustigt. Dabei hatte sie noch keine Monatsblutungen, auch ihre Brüste waren kaum mehr als rosa Knospen.
    Anders dagegen Ermengarda.
    Eigentlich hatte die Stieftochter ihr nie Grund zur Klage gegeben. Bisweilen ein wenig verwöhnt, aber das waren sie beide. Doch schön war sie.
Mon Dieu,
was hätte Ermessenda nicht dafür gegeben, selbst solche Schönheit zu besitzen. Nina war blond wie der Vater und hübsch wie ein kleiner Engel. Aber bei allem Mutterstolz nicht so sterbensschön wie Ermengarda.
    In letzter Zeit hatte sie jedoch eine Veränderung bemerkt. Sie beobachtet mich, dachte Ermessenda. Mit diesem kühlen, prüfenden Blick, wie gerade eben. Wie eine Schlange, die ihr Opfer anstarrt. Aber was denk ich da? So ein Unsinn. Sie versuchte, den Gedanken zu verscheuchen. Das war doch ganz und gar lächerlich. Eine Fünfzehnjährige!
    Nur, von Monat zu Monat war sie mehr zur Frau geworden, so dass es schien, als würde ihr wachsender Brustumfang mit jedem Tag Ermessendas Ende als Regentin näher bringen. Würde es bald
Vescomtessa
Ermengarda heißen? Wie diese unreife Göre aus Aquitania, die nicht nur Herzogin, sondern auch noch Königin von Frankreich geworden war?
    Und was wird dann aus mir? Das Ende meiner Herrschaft? Vielleicht Schlimmeres. Ermessendas Hand flog in plötzlicher Furcht zum Halsausschnitt ihrer Robe. Ich muss mich beruhigen, dachte sie. Trotzdem, irgendetwas musste geschehen. Und zwar bald.
    Vielleicht sollte sie das Mädchen eiligst mit einem der Stadtadeligen verheiraten, jemanden, den sie in der Hand hatte. Am besten eine wenig begüterte Familie, die sich mit einer Mitgift an Geld und Ländereien begnügen würde statt der Herrschaft über

Weitere Kostenlose Bücher